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01. Einführung

Trotz fehlender ‚harter‘ Daten konnte beobachtet werden, dass insbesondere seit Einführung des Sozialgesetzbuchs II mit dem in § 2 SGB II geregelten „Grundsatz des Forderns“ und der damit verbundenen Sanktionskulisse die Zahl schwer erreichbarer junger Menschen seit Jahren deutlich zunimmt (Reißig & Hoch 2018). Darunter sind viele, die Fuchs, Gellermann und Kutzner (2018) als „Ausbildungsverlierer“ bezeichnen, weil sie sich in ihrem Übergangsprozess in eine Berufsausbildung von institutionellen Angeboten entkoppelt haben (vgl. auch Mögling, Tillmann & Reißig 2015). Diese Entwicklung mag mit dazu beigetragen haben, dass die „Förderung von schwer zu erreichenden jungen Menschen“ (Bundesagentur für Arbeit 2018) in das Sozialgesetzbuch (SGB) II aufgenommen worden ist. Der § 16h SGB II ist am 1. August 2016 in Kraft getreten. Zur Realisierung entsprechender Angebote sieht der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit (2019) als Zusammenschluss freier Träger der Jugendsozialarbeit die Jobcenter und die Jugendhilfe „in gemeinsamer Verantwortung“.

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Zudem hat die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass in den letzten Jahren noch mehr junge Menschen institutionell nur noch schwer zu erreichen sind (Müller, Dittmann, Büchel & Wolf 2021). Um sie dennoch nicht zu verlieren, gilt aufsuchende Soziale Arbeit als eine bedeutsame Handlungsstrategie. Obwohl diese seit den 1970er Jahren fest zum Methodenrepertoire Sozialer Arbeit gehört (Diebäcker & Wild 2020, S. 1), gibt es bisher jedoch nur wenige Forschungen dazu, wie aufsuchende Soziale Arbeit im Übergang zwischen Schule und Beruf gelingen kann. Es gibt zwar die Studie „zur Fachlichkeit niedrigschwelliger Angebote in der Jugendsozialarbeit“ von Muche, Oehme und Schröer (2010). Diese ist jedoch bereits 14 Jahre alt und beschäftigt sich zudem mit niedrigschwelligen Angeboten, unter die zwar aufsuchendeJugendsozialarbeit fällt, aber ein breiteres Angebotsspektrum umfassen (Muche, Oehme & Schröer 2010, S. 10). 

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Aufgrund dieser Forschungslücke hat der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) aus Mitteln der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) das zweijährige Forschungsprojekt „Gelingensfaktoren für eine aufsuchende Jugendsozialarbeit“ durchgeführt. Die damit erzielten Forschungsergebnisse werden in dieser Handreichung präsentiert werden, sie sollen zur Nachahmung einladen. Um trotz der bunten Vielfalt der aufsuchenden Angebote grundlegende Erkenntnisse zu Gelingensbedingungen zu gewinnen, wurden sieben ganz unterschiedliche Angebote aufsuchender Jugendsozialarbeit ausgewählt und untersucht. Mit Vertreter*innen von ihnen wurden Expert*inneninterviews (Bogner, Littig & Menze 2014) durchgeführt, die anschließend transkribiert und qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet wurden (Mayring 2022). Zur Konzeption des Interviewleitfadens sowie Bildung der Auswertungskategorien wurde auf didaktische Grundlagen der Sozialen Arbeit von Enggruber (2022) zurückgegriffen. Vertreter*innen aus den untersuchten Angeboten wirkten nicht nur in den Expert*inneninterviews, sondern auch an der qualitativen Auswertung bzw. Interpretation der Interviewtranskripte mit, um die im Folgenden präsentierten Forschungsergebnisse möglichst praxisnah zu gestalten. So wurden neben mehreren Videokonferenzen in 2024 ein Workshop im September 2023 und ein Fachtag im Mai 2024 mit Vertreter*innen aus den Projekten durchgeführt. 

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Bevor die einzelnen Gelingensbedingungen vorgestellt werden, wird zunächst das Verständnis von aufsuchender Jugendsozialarbeit sowie jenes der Adressat*innengruppen erläutert, das in den untersuchten Angeboten vorhanden ist. Da sich die erzielten Untersuchungsergebnisse als übergeordnet und damit auch als verallgemeinerbar verstehen, werden die ‚O-Töne‘ aus den Interviews anonymisiert und damit losgelöst vom jeweiligen Angebot präsentiert.

02. Verständnis Aufsuchender Jugendsozialarbeit

Aufsuchende Jugendsozialarbeit bezeichnet im Verständnis der Projekte die aktive Kontaktaufnahme der Fachkräfte im Sozialraum der Adressat*innen mit einem von diesen nicht selbst aktiv angefragten Unterstützungsangebot:

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„Aufsuchen heißt für mich … und das ist ... auch der wichtige Punkt, warum wir mittlerweile auch Onlineberatung machen, dass man jemanden abholt, wo er sich aufhält oder wo man ihn erreicht oder sie … Insofern aufsuchend heißt aber auch eine Art Niederschwelligkeit im Zugang. Das muss dann schon nicht zwingend die Straße sein, sondern eben, dass das Angebot einfach so gestrickt ist, dass jemand es annehmen kann, ...“ (I1, Z. 10 f.).

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Dieses Verständnis beinhaltet, dass Angebote Aufsuchender Jugendsozialarbeit individuell auf die Bedürfnisse der Adressat*innen eingehen. Diese Bedürfnisorientierung setzt voraus, dass die Angebote inhaltlich, zeitlich und örtlich flexibel sind. Als niedrigschwellige Angebote haben sie als einzige ‚Schwelle‘, die junge Menschen überwinden müssen, dass sie die ihnen in ihrem Sozialraum angebotene Kontaktaufnahme von Seiten der Fachkräfte annehmen müssen. Weitere Hürden gibt es nicht, sodass auch von einem fast bedingungslosen Zugang gesprochen wird. Dieser nur an die eine Bedingung der Kontaktaufnahme geknüpfte Zugang beinhaltet auch, dass die Fachkräfte erstmal für alle jungen Menschen ansprechbar sind, die sie in deren Sozialräumen antreffen. Mithin wird zunächst nicht deren Hilfebedürftigkeit geprüft, sondern versucht, auf alle Bedürfnisse und Belange einzugehen und ggf. diejenigen an für sie passende Angebote weiterzuleiten, deren Hilfebedarf außerhalb der Zuständigkeit der aufsuchend tätigen Fachkräfte liegt.

So verstandene Aufsuchende Jugendsozialarbeit setzt die kontinuierliche selbstkritische Überprüfung der Erreichbarkeit junger Menschen in deren Sozialräumen als eine bedeutsame Gelingensbedingung voraus:

„Also wir haben so verschiedene, über die Jahre, verschiedene Sachen ausprobiert und dann die, die irgendwie erfolgsversprechend waren, im Prinzip dann auch gelassen und gucken auch jedes Jahr immer ein bisschen, was sich verändert, wie wir Leute erreichen, wo Bedarfe sind und so was und wie sich es auch verschiebt“ (I3, Z. 31 f.).

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So hat sich in einem der untersuchten Projekte mit der Zeit die Onlineberatung als ein Angebot neben Streetwork entwickelt und bewährt, um möglichst viele junge Menschen zu erreichen.

3. Angebotsgestaltung

Insgesamt unterscheiden sich die sieben Angebote der Leuchtturmprojekte grundlegend in den gewählten aufsuchenden Zugängen zu den Adressat*innen in ihren Sozialräumen voneinander. Im Folgenden wird kurz und prägnant skizziert, wie die sieben Projekte die Zugänge zu den Adressat*innen in deren Sozialräumen gestalten, um eine bedarfsgerechte und effektive Unterstützung der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen zu gewährleisten:

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Caritas Bremen Nord – Team Nord Streetwork

 

Ziele der Aufsuchenden Arbeit des Team Nord Streetwork ist das Begleiten von Cliquen Jugendgliche in Bremen-Nord und deren Integration in bestehende institutionelle und andere Angebote für junge Menschen. Dabei sollen den Cliquen im ersten Schritt Rückzugsräume in begleiteter Form angeboten werden. Drei MitarbeiterInnen sind in Streetwork Bremen-Nord aktiv und bieten aktuelle Projekte wie Ringen, Schwimmen, Kraft- und Boxtrainings an.

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Don Bosco Nürnberg – Smart Kiosk

 

Das Ziel des Smart Kiosk in der Fußgängerzone der Nürnberger Innenstadt ist es, wohnungslose junge Menschen in den Herausforderungen der digitalen Teilhabe zu unterstützen. Hierbei bieten die Fachkräfte kostenlose Angebote wie Ladestationen für Handys, WLAN-Zugang, die Nutzung von PCs, Scannern und Druckern, Unterstützung im Umgang mit digitalen Angeboten, sowie Vermittlung in Hilfsangebote und Beratungen an. 

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Förderband Mannheim – Aufsuchender Dienst

 

Der Aufsuchende Dienst bietet Unterstützung für junge Menschen unter 25 Jahren an, welche sich nach einer erstmaligen Kontaktaufnahme, nicht mehr gemeldet haben. Der Aufsuchende Dienst wird vom Jobcenter beauftragt und führt im Anschluss eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme zu den jungen Menschen durch. Dabei werden diese in ihrem häuslichen Umfeld aufgesucht. Ihnen wird Hilfestellung in ihrer aktuellen persönlichen und beruflichen Situation angeboten und es wird über ihre Integration in das Fördersystem gesprochen.

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Förderband Siegen – Just Streetwork

 

JUST! Jugendprojekt Straße richtet sich an junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren, die von bestehenden Angeboten nicht mehr erreicht werden. Es bietet aufsuchende Unterstützung an informellen Treffpunkten im Stadt- und Kreisgebiet und bietet individuelle Förderung und Betreuung bei persönlichen und beruflichen Problemen an. JUST! arbeitet stärkenorientiert durch die Aufsuchende Arbeit, regelmäßige Angebote wie Fußball, Mountainbike und Gruppen für Mädchen, sowie die Gestaltung sportlicher und kultureller Events. 

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BDKJ Berlin – Jobmobil Berlin

 

Das Jobmobil Berlin bietet an verschiedenen Standorten im Stadtteil Tempelhof-Schöneberg niedrigschwellige Beratung für sozial benachteiligte junge Menschen bis 27 Jahre an, um sie auf ihrem Weg ins Berufsleben professionell zu begleiten. Durch die Verortung in den unterschiedlichen Sozialräumen und Kooperationen mit Jugendzentren und Beratungsstellen können die jungen Menschen flexibel und adäquat unterstützt werden.

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Kurbel Oberhausen – Drive 7

 

Das Projekt Drive 7 bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre eine intensive Begleitung und Unterstützung bei individuellen Schwierigkeiten und der Entwicklung neuer Perspektiven an. Neben der Aufsuchenden und mobilen Beratung steht eine Anlaufstelle zur Verfügung, die als offener Treffpunkt fungiert. Durch diese Aufsuchende und offene Arbeit können schnell und unkompliziert Beratungs- und Hilfsangebote bereitgestellt werden. Das niedrigschwellige Angebot zielt auf eine langfristige Stabilisierung der Teilnehmenden ab.

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Off Road Kids – Sofahopper.de

 

Die Stiftung Off Road Kids hat mit Sofahopper.de eine virtuelle Streetwork-Station installiert, die bundesweit erreichbar ist und eine deutschlandweite Onlineberatung per Chat und Kontaktformular anbietet. Zielgruppe sind Minderjährige und junge Menschen bis 27 Jahre, die von Obdachlosigkeit bedroht sind oder als sogenannte „Sofahopper“ in verdeckter Obdachlosigkeit leben. Ergänzt wird das Angebot durch eine Mail- und Telefonberatung sowie die Möglichkeit zur Beratung in den fünf Streetwork-Stationen in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Hamburg und Köln.

4. AdressatInnen Aufsuchender Jugendsozialarbeit

Gesetzlich verankert hat Aufsuchende Jugendsozialarbeit alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Blick, welche schwer zu erreichen sind (§ 16 h SGB II) sowie junge Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigung in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind (§ 13 Abs. 1 SGB VIII).

Unter sozialrechtlichen Gesichtspunkten zeichnet sich die Gruppe schwer erreichbarer Jugendlicher und junger Erwachsener durch folgende Merkmale aus: Besondere Belastung des Lebens (§ 1 Abs. 1 SGB I); soziale Benachteiligung und/oder individuelle Beeinträchtigung, sowie ein verstärkter Bedarf an Unterstützung (§ 13 Abs. 1 SGB VIII); Schwierigkeiten bei der sozialen Integration, sowie der Eingliederung in Ausbildung und Arbeit (§ 13 Abs. 3 AG-KJHG-KJFÖG); Probleme beim Abschluss einer schulischen, ausbildungsbezogenen oder beruflichen Qualifikation oder beim eigenständigen Einstieg ins Berufsleben; fehlende Betreuung und Unterstützung (§ 16h SGB II); individuelle Probleme bei der Beschäftigungsfähigkeit (§ 1 SGB III & § 16k SGB II); Schwierigkeiten Sozialleistungen zu beantragen oder anzunehmen (§ 16 h Abs. 1 SGB II).

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Problemlagen der jungen Menschen innerhalb der interviewten Referenz-Projekte wurden von den Fachkräften wie folgt benannt:

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„Sondern das ist ja so in der Regel, dass Probleme schon ganz früh auftauchen, durch ein Elternhaus, was konfliktbehaftet ist …“ (I6, Z. 814 f.).

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„Zielgruppe sind Menschen, die nicht ans System angebunden sind oder Menschen, denen Wohnungslosigkeit droht oder die schon wohnungslos sind“ (I6, Z. 2493 f.).

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„Also dann gibt es welche noch mit psychischen Erkrankungen“ (I5, Z. 1212 f.).

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Die Hilfebedarfe junger Menschen in den befragten Referenzprojekten umfassen demnach eine Vielzahl von Herausforderungen, darunter familiäre Konflikte, Wohnungslosigkeit, psychische Erkrankungen und Suchtproblematiken, mit denen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit konfrontiert sind. Dennoch sind die Fachkräfte in ihrem Gebiet, in den Sozialräumen der Jugendlichen stets aufmerksam und bereit alle Jugendlichen anzusprechen und zu unterstützen. Sie bedienen eine offene Zielgruppe und sorgen dafür, dass niemand bei der Inanspruchnahme ihrer Leistungen benachteiligt wird:

„… gerade bei Suchterkrankungen oder bei Verwahrlosung, bei Wohnungslosigkeit. All diese Dinge, die betreffen ja ganz viele Gruppen. Also nicht nur ältere, sondern auch jüngere, da gibt es auch die unterschiedlichsten Gründe, warum man da reinkommt. Und wir sind grundsätzlich, wenn wir auf der Straße unterwegs sind, da sind wir immer mit offenen Augen unterwegs“ (I4, Z. 719 f.). 

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Weiter gefasst beinhaltet das Selbstverständnis bezüglich der AdressatInnen innerhalb der Referenz-Projekte, dass sich die Aufsuchende Jugendsozialarbeit an alle jungen Menschen richtet:

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„Eigentlich sind alle unsere Zielgruppe“ (I3, Z. 667 f.).

„Bei uns passt erstmal jeder rein“ (I3, Z. 661 f.).

Die in den Referenz-Projekten getroffenen Aussagen verdeutlichen, dass die Aufsuchende Jugendsozialarbeit ein umfassend inklusives Selbstverständnis vertritt. Dies manifestiert sich in der Auffassung, dass ihre Angebote erstmal jedem offen stehen und es keine Einschränkungen hinsichtlich der Zielgruppe gibt. Dieses Selbstverständnis betont, dass sich die Angebote prinzipiell an alle Menschen richten, ohne Einschränkungen hinsichtlich spezifischer demografischer oder sozialer Kriterien. Diese offene und inklusive Haltung verdeutlicht das Engagement der Referenz-Projekte, Zugänglichkeit und Unterstützung für eine breit gefächerte Adressat*innengruppe zu bieten.

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„Unser natürlich, Hauptschwerpunkt sind die Jugendlichen und da, also die Jugendlichen, alle Sorten, würde ich sagen. Also Nationalität spielt keine Rolle, Herkunftsland, die Sprache, kulturelle Unterschiede, religiöse Unterschiede sind auch da, wir versuchen irgendwie als neutrale Personen allen zu helfen“ (I2, Z. 129 f.).

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… alle Ethnien, alle Herkunftsländer, alle Sprachen, alle Kulturen und Religionen. Wir sind hier komplett neutral“ (I2, Z. 557 f.).

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Dieses Verständnis bezieht den ethnisch-kulturellen Hintergrund[1] der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ein. Hierbei zielen die Projekte darauf ab, eine inklusive Atmosphäre zu schaffen, in der Jugendliche unabhängig von Nationalität, Herkunftsland, Sprache sowie kulturellen und religiösen Unterschieden willkommen sind. Die Ansätze betonen Neutralität und Gleichbehandlung, um auf die diversen Bedürfnisse aller jungen Menschen eingehen zu können.

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„Unser Arbeitsort sind die Straßen und alle Schulhöfe, alle Ecken, wo sich die Jugendlichen treffen, und da bewegen wir uns und versuchen wir, die Jugendlichen aufzufangen, die draußen Langeweile haben und die auf die dummen Gedanken kommen, die wissen nicht wohin mit der Freizeit“ (I2, Z. 9 f.).

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Die Zielgruppe der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit umfasst alle jungen Menschen, die aufgrund von Langweile und fehlender Orientierung nicht wissen, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können. Ohne positiven Input von außen sind diese jungen Menschen gefährdet, in problematische Verhaltensmuster zu verfallen. Daher bewegen sich die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit gezielt in Sozialräumen wie Straßen, Schulhöfen und anderen Treffpunkten, um diese jungen Menschen aufzufangen, und ihnen sinnvolle Alternativen für ihr Leben aufzuzeigen.

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Die Zielgruppe Aufsuchender Jugendsozialarbeit lässt sich demnach in verschiedenen Kategorien betrachten. Eine weitere Kategorien ist die Altersspanne. Grundsätzlich hat Aufsuchende Jugendsozialarbeit die Zielgruppe junger Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren im Blick. Diese speist sich aus § 13 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII „Jugendsozialarbeit“. Hier wird „Jungen Menschen, welche zum Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zu Überwindung individueller Beeinträchtigung in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihr soziale Integration fördern“. Mit jungen Menschen sind hierbei Menschen im Alter von 14[2] bis 27 Jahren[3] gemeint.

Jedoch betonen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, dass ihre niedrigschwelligen, offenen Angebote auch häufig Menschen erreichen, welche älter sind, bzw. mit dem Angebot gewachsen sind und eigentlich nicht mehr in die Zielgruppe der 14 bis 27jährigen gehören.

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„Jetzt … ja, sag ich mal, einige können sich von uns auch nicht trennen, die bleiben an uns weiter hängen“ (I2, Z. 116 ff.).

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„Nein, also wir sagen auch beim 28- oder 30-Jährigen nicht nein. Wir sagen auch bei einem 50-Jährigen nicht nein, wenn der sonst gerade niemanden hat. Wir versuchen natürlich dann, wenn es ein älterer oder erwachsener Mensch ist zu gucken, wo sind denn hier im Hilfesystem vielleicht dann die richtigen Ansprechpartner, die sich auch um diese Zielgruppe kümmern. Aber wir versuchen schon dann auch zu lotsen oder weiterzuhelfen, dass dieser Mensch dann dort auch eine Hilfe bekommt“ (I4, Z. 719 f.).

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Dieses Verständnis impliziert, dass es innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit eine Kernadressat*innengruppe gibt; der Ansatz selbst bedingt jedoch, dass ebenfalls Personen außerhalb dieser primären Zielgruppe erreicht werden.

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„Dass wir uns um die einfach kümmern und das auch als unsere Aufgabe sehen. Natürlich legen wir unseren Fokus auf die bis 27-jährigen, aber wir haben ja für jeden da irgendwie ein offenes Ohr“ (I4, Z. 2174 f.)

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Das Selbstverständnis der Referenz-Projekte schließt ein, sich umfassend um alle (jungen) Menschen zu kümmern, indem zielgerichtete Unterstützungsangebote bereitgestellt werden, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Hauptzielgruppe bis 27 Jahre stets im Fokus bleibt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine breite Palette von Bedürfnissen zu adressieren, ohne die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen der Kernzielgruppe zu vernachlässigen. Innerhalb dieser Zielgruppe gibt es jedoch, je nach Rechtskreis in welchem sich das Angebot, die Einrichtung der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit bewegt, Unterschiede.

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Das Sozialgesetzbuch II (SGB II) „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ benutzt einen anderen jungen Erwachsenenbegriff als die Kinder- und Jugendhilfe (Sozialgesetzbuch VIII). Es spricht im § 16h „Förderung schwer zu erreichender junger Menschen“ von Leistungsberechtigten, die das 15. Lebensjahr vollendet[4] und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sprich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 25 Jahren. Diese Zielgruppe wird von den Fachkräften innerhalb der Referenz-Projekte ebenfalls benannt:

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„Ja, Zielgruppe sind die Jugendlichen von 12 bis 25“ (I2, Z. 557 f.).

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„Zwischen 18 und 25, in Ausnahmefällen eben auch mal 16. Zielgruppe ist Arbeitslosengeld II - Empfänger“ (I5, Z. 1212 f.).

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„… unsere Teilnehmer sind zwischen 18 und 25, manchmal auch ein bisschen jünger, manchmal sind die schon 25 und dann geht es um den Übergang, wie es dann weitergeht“ (I6, Z. 25 f.).

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Die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs „junge Erwachsene“ in den Sozialgesetzbüchern II und VIII sowie in den praktischen Anwendungen verschiedener Projekte innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verdeutlichen die Vielfalt innerhalb der Alterskategorisierung und Zielgruppenansprache. Die bestehende Diskrepanz innerhalb der Zielgruppenarbeit zeigt die Notwendigkeit einer flexiblen Handhabung der Altersgrenzen in der Praxis in Abhängigkeit von den spezifischen Bedürfnissen und Lebenslagen der Adressat*innen. Aufsuchende Jugendsozialarbeit ist hierbei gefordert die Entwicklungsphasen junger Menschen zu berücksichtigen und auf die individuellen Übergänge ins Erwachsenenalter einzugehen, um eine adäquate Unterstützung und so die Transition in die Selbstständigkeit wirksam zu begleiten. Ebenfalls ist es wichtig zu beachten, dass die Zielgruppe innerhalb der einzelnen Angebote changieren kann.

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„Deswegen sind solche Fälle eigentlich schöner, wenn die 18 sind. Die können selber über sich entscheiden, einfach“ (I6, Z. 2784 f.).

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In der Diskussion um die Zielgruppen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, speziell im Hinblick auf das Alter, gibt es unterschiedliche Perspektiven. Einige Fachkräfte bevorzugen die Arbeit mit volljährigen Adressat*innen, da die Selbstbestimmung bei Minderjährigen meist begrenzt und Freiwilligkeit nicht immer gegeben sei. Volljährige Adressat*innen können hingegen selbstständig über Angelegenheiten, die sie betreffen, entscheiden. Anderseits gibt es Fachkräfte, welche die Arbeit mit Minderjährigen bevorzugen. Sie argumentieren, dass viele Aspekte innerhalb der Jugendhilfe für Minderjährige besser geregelt sein, beispielsweise der Schutz vor Wohnungslosigkeit durch das Instrument der Inobhutnahme. Für volljährige Adressat*innen stehen dagegen häufig nur begrenzte Ressourcen wie Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung, was die Unterstützung erschwere. Diese unterschiedlichen Ansichten spiegeln die komplexen Herausforderungen wider, die mit der Altersgruppe der Adressat*innen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verbunden sind.

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In der Praxis der Referenz-Projekte wird deutlich, dass Aufsuchende Jugendsozialarbeit flexible und adaptive Ansätze verfolgt, um auf die vielfältigen Bedürfnisse ihrer Adressat*innen einzugehen. Dies wird besonders deutlich in der Handhabung von Altersgrenzen, bei denen die Fachkräfte basierend auf den individuellen Lebensumständen und Entwicklungsphasen agieren. Letztlich spiegeln die unterschiedlichen Perspektiven der Fachkräfte die Komplexität und die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Adressat*innengruppe wider. Die Aufsuchende Jugendsozialarbeit muss dabei sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die spezifischen Bedürfnisse der jungen Menschen berücksichtigen, um adäquat unterstützen und begleiten zu können. Dies erfordert eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der unterschiedlichen Angebote, um eine nachhaltige und wirkungsvolle Aufsuchende Jugendsozialarbeit zu implementieren. 

 

[1] Ethnie: in Bezug, mit Hinblick auf, auf Grund von Abstammung, Sprache oder Volkszugehörigkeit. Kultur: geistig-sozialer Entwicklungsstand sowie Gesamtheit der Errungenschaften auf geistiger, künstlerischer, humanitärer Ebene

[2] Im Sinne des Sozialgesetzbuches VIII ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist.

[3] Im Sinne des Sozialgesetzbuches VIII ist junger Mensch (wie in § 13 SGB VIII betitelt), wer noch nicht 27 Jahre alt ist.

[4] s. § 7 SGB II „Leistungsberechtigte“: Formulierung welche deutlich macht, dass die betreffende Person mindestens 15 Jahre alt sein muss. An dem Tag ihres 15. Geburtstages schließt sie ihr 15. Lebensjahr  ab und tritt offiziell in ihr 16. Lebensjahr ein.

5. Erreichen der Zielgruppe

Im Folgenden werden methodische Ansätze aufgezeigt, welche die Fachkräfte dabei unterstützen junge Menschen in prekären Lebenssituationen zu erreichen.

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Erreichen durch Aufsuchende Mobilität: Jugendliche dort ansprechen, wo sie sich aufhalten

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit sind mobil in verschiedenen Stadtteilen unterwegs, um potenzielle junge Menschen in prekären Lebenslagen zu erreichen und ihnen Unterstützung anzubieten. Sie bereiten sich sorgfältig vor, indem sie eine Sozialraumanalyse durchführen und überlegen, welche Angebote am besten passen könnten. Hierbei sind die Fachkräfte immer mindestens zu zweit unterwegs.

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„Und jetzt haben wir uns eigentlich gedacht, dass wir … nochmal aufsuchend starten, aber ohne festen Punkt dann, an einem anderen Standort … nen Parkplatz da von unserem Träger, nur da können wir dann umsonst stehen und auch irgendwas aufbauen, theoretisch und dann aber zu Fuß in die Stadt reingehen …und dass wir dann nochmal mobil unterwegs sind, um auch mehr Leute dann erreichen zu können. Anstatt wenn wir warten, sondern wir gehen dann raus und gucken mal, laufen die Stadt ab und schauen, ob wir da potenzielle Kunden erwischen …Genau, also zumindest zu zweit, also zwei Leute immer und dann schauen, ist hier jemand, den wir ansprechen können … ein Stück im Park, da stehen manchmal vielleicht auch Zelte oder sowas, ne? Und dann gucken, naja ist das jemand, der augenscheinlich vielleicht vom Alter her in unser Klientel passen könnte oder nicht und dann einfach nur ansprechen, im Rucksack, dann Getränke, vielleicht Snacks und ansprechen und mal nachhören, eine Visitenkarte da lassen“ (I6, Z. 2632 f.).

 

 

Erreichen durch behutsame Ansprache und Präsenz im Sozialraum

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit betonen die Bedeutung einer sensiblen Ansprache und einer ausgewogenen Präsenz im Sozialraum. Sie sind sich bewusst, dass eine übermäßige Ansprache die Zielgruppe überstrapazieren könnte, und vermeiden es daher, aufdringlich zu wirken. Stattdessen zeigen sie gezielt Präsenz und beobachten soziale Gegebenheiten im Umfeld, um die Bedürfnisse der jungen Menschen erfassen und entsprechend hierauf reagieren zu können. Dieser Ansatz fördert eine respektvolle Unterstützung, indem er auf die Bedürfnisse der jungen Menschen eingeht und ihre Lebenswelt berücksichtigt.

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„ … man muss ein bisschen gucken, dass man die Zielgruppe ja auch nicht überstrapaziert … ich will dem ja auch nicht auf den Sack gehen … „Nee, also von daher bin ich eh was Ansprache angeht auch immer sehr vorsichtig … ein bisschen Präsenz zeigen, gucken, was ist so im Sozialraum los“ (I1, Z. 919 f.). 

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Erreichen durch gezielte Präsenz: Unterstützung an strategischen Orten

Die Fachkräfte gehen gezielt an Orte, von denen sie wissen, dass junge Menschen in prekären Lebenssituationen dort mit Herausforderungen und Schwierigkeiten konfrontiert sind, wie zum Beispiel beim Bezug von Leistungen oder dem Zugang zum Jobcenter. Dort bieten sie mit ihrer Präsenz, Erstgesprächen und Problemanalysen Lösungsoptionen für die jungen Menschen an und offerieren eine langfristige Unterstützung. Zudem platzieren sie sich gegenüber dem Jobcenter und städtischen Einrichtungen, um eine effektive Zusammenarbeit zu fördern und sicherzustellen, dass die Anliegen der jungen Menschen gehört und berücksichtigt werden.

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„Wir stehen montags und donnerstags mit dem Beratungsbus in gemischter Besetzung eben mit Stadt-Streetworkern und von Don Bosco vor der U-25 Abteilung vom Jobcenter am Wiener Platz … es ist ganz oft, ist es wie so ein Infopoint, wenn man da steht … ein bisschen Erstgespräch, Gesicht zeigen, Flyer verteilen, Kontakte knüpfen. Das Jobcenter guckt runter, sieht uns, die Stadt Köln ist gegenüber, sieht uns. Wir reden mit den Security Leuten: Wenn ihr welche da nicht reinlasst, schickt sie doch nochmal zu uns. Vielleicht können wir ja gucken, woran es gelegen hat, dass die da nicht rein kommen“ (I1, Z. 970 f.). 

 

 

Erreichen durch Einbeziehung des Umfeldes und Zusammenarbeit mit Institutionen

Die Fachkräfte erreichen die jungen Menschen, indem sie das soziale und familiäre Umfeld der Teilnehmenden einbeziehen. Potenzielle Teilnehmende nutzen oft das Netzwerk, um gezielt Kontakt zu den Fachkräften der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit aufzunehmen. Die Fachkräfte bauen vertrauensvolle Beziehungen zu den Eltern der Teilnehmenden auf, um den Zugang zu ihren Angebot für die jungen Menschen zu erleichtern. Zudem werden die Fachkräfte häufig von den jungen Menschen an Freunde und Bekannte weiterempfohlen, die dann ebenfalls die Unterstützung der Fachkräfte in Anspruch nehmen. Zusätzlich erreichen die Fachkräfte die jungen Menschen in prekären Lebenssituationen durch die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, wenn ihr Projekt von diesem gefördert wird.

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„Und diese Menschen erreichen wir auch entweder durch Jobcenter oder durch Teilnehmer und Bekannte, von denen dann halt oder PartnerInnen“ (I6, Z. 2493 f.).

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„Und die hauptsächlichen Hauptzugänge sind  tatsächlich zum einen über Freunde, Freundinnen, Bekannte, also sozusagen Jugendliche, die mal hier waren und die jemanden in der Pipeline haben, der auch noch kommen möchte so, das ist viel“ (I3, Z. 793 f.).

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„Und wir versuchen durch die Familie da auch irgendwie es mitzubewegen, nach dem Motto „Ja, also wir machen das und das“ und dass die Eltern von uns ein bisschen Vertrauen [bekommen], also mit dem können die Mädels gehen, weil wir die gut kennen. Also nach dem Motto da passiert nichts Schlimmeres in der Einrichtung … dadurch versuchen wir auch irgendwie unsere Ziele zu erreichen“ (I2, Z. 145 f.).

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Digitale Erreichbarkeit: Nutzung von Internet, Social-Media-Kanälen und Messengern in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die Fachkräfte erreichen die Zielgruppe der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen durch die Nutzung von Kommunikationsmitteln via Internet und Messenger wie WhatsApp, Signal und Telegramm. Dabei gehen sie auf die Bedürfnisse der jungen Menschen ein, schnell und unkompliziert erreichbar zu sein. Auch erhöhen die Projekte und Einrichtungen der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ihre Reichweite durch eine Präsenz im Internet, auf der sie ihre Angebote vorstellen und eine schnelle Erreichbarkeit gewährleisten. Sie nutzen soziale Medien wie Instagram und Facebook, um Projekte und Aktivitäten zu teilen und die Sichtbarkeit ihrer Arbeit zu erhöhen. Visitenkarten werden ebenfalls verteilt, um den Kontakt auch per Telefon weiter zu erleichtern. Diese digitalen Kommunikationswege ermöglichen es, in einem engen Austausch mit den jungen Menschen zu bleiben und schnell auf deren Anliegen zu reagieren.

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„Wir haben alle Diensthandys, da haben wir WhatsApp, Signal, Telegramm, keine Ahnung, was es alles für Kommunikationsapps gibt … und dann sind wir bei Instagram, bei Facebook, da posten wir dann von irgendwelchen Projekten, Sachen, aber auch wenn wir unterwegs sind. Und wir haben auch alle Visitenkarten, wenn wir die auf der Straße treffen, dann geben wir denen auch noch unsere Visitenkarte und sagen „Hier, kannst ja mal überlegen, kannst dich mal melden oder so“ oder tauschen direkt Handynummern aus, wie es halt gerade passt. Genau und dadurch erreichen die uns. Also viel ist über WhatsApp tatsächlich“ (I4, Z. 2024 f.).

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„Dass wir gemerkt haben, wie wichtig eine Internetpräsenz ist, eine Erreichbarkeit weiß ich nicht über Social Media Messenger, was auch immer, dass man da irgendwie auch mit der Zeit gehen muss bei jungen Leuten … Ja, das war so das Ding, das man erkannt hat, okay, die Medien ändern sich, Kommunikation ändert sich, Erreichbarkeit ist ein viel größeres und aktuelleres Thema, auch bei jungen Leuten“ (I1, Z. 60 f.).

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„Und diese ganze, natürlich die Digitalisierung und diese Erreichbarkeit per Handy ist super. Also man kann da ganz anders im Kontakt bleiben mittlerweile mit den Leuten, ohne sich sehen zu müssen. Das ist schon auch super, also … telefonisch schnell Sachen klären, das ist schon perfekt“ (I3, Z. 2773 f.).

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„… dass es eher in den 90er, 2000er … dass man wirklich auf der Straße mehr Leute getroffen hat …dass sich anscheinend immer viel mehr vielleicht draußen abgespielt hat …. Aber das scheint ein bisschen zurückgegangen zu sein … ich glaube schon, dass viele durchs Handy im Kontakt sind mit anderen und dann halt vielleicht auch zu Hause sind oder bei irgendwem …. Und diese ganze Digitalisierung und diese Erreichbarkeit per Handy ist super, also man kann da ganz anders im Kontakt bleiben mittlerweile mit den Leuten, ohne sich sehen zu müssen“ (I3, Z. 2757 f.).


„Was ich jetzt bei der Aufsuchende Arbeit auch habe, was wir jetzt noch nicht so lange haben … dass wir eben auch ein Diensthandy haben“ (I5, Z. 2516 f.)

 

„… also wir sind ja auch bei Instagram und Facebook . . . und dann sind wir bei Instagram, bei Facebook, da posten wir dann von irgendwelchen Projekten, Sachen, aber auch wenn wir unterwegs sind“ (I4, Z. 2024 f.).

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Erreichen durch Vertrauensaufbau und Authentizität der Fachkräfte

Die Fachkräfte bauen durch die ihre Präsenz und Unterstützungsangebote Vertrauen zu der Zielgruppe der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen auf, so dass diese ihre Angebote wiederholt in Anspruch nehmen. Indem die Fachkräfte authentisch und zugewandt agieren, schaffen sie eine vertrauensvolle Beziehung zu den jungen Menschen, die diese darin bestärkt, sich den Fachkräften anzuvertrauen.

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„. . . also die sind sehr positiv auf uns gestimmt, würde ich sagen, doch. Weil sonst würde ich auch nicht von alleine, also der Bus kommt vorgefahren und dann kommt man hier schon gefühlt angerannt mit den Zetteln „Hier, ich habe, ich verstehe hier schon wieder was nicht“ … Wenn wir irgendwie so quasi verbrannt wären, also dass da irgendwie jemand denken würde, „Ach Gott, da kommen die wieder!“ und so, dass spricht sich halt so schnell rum, dann bräuchten wir halt, glaube ich, auch nicht mehr losfahren, weil dann keiner mehr Bock auf uns hat. Aber wir sind ja cool mit denen, also wir wollen denen ja nix Böses und das vermitteln wir glaub ich auch ganz gut“ (I4, Z. 1109 f.).

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Erreichen durch individuelle Betreuung: Stärken der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit sehen einen großen Vorteil in ihrer Arbeitsweise darin, die Zeit und Ruhe zu haben, sich individuell mit den Bedürfnissen und Herausforderungen der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen auseinandersetzen zu können. Dabei sind sie nicht dem Druck ausgesetzt, eine spezifische Zielgruppe oder vorgegebene Ziele und Zahlen erreichen zu müssen. Stattdessen haben sie die Freiheit, sich gemeinsam mit den jungen Menschen intensiv mit deren individuellen Problemlagen auseinanderzusetzen und diese gemeinsam zu bearbeiten.

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„Und natürlich schaffen wir ja auch nicht alle zu erreichen. Und Leute, die jetzt irgendwie mit pff illegalen Sachen viel schneller Geld verdienen als mit irgend so einer schnöden Ausbildung … natürlich sind da unsere Möglichkeiten auch begrenzt und auch wenn sich die Politik das vielleicht manchmal noch bisschen anders vorstellt. Aber ja, es gibt da auch noch andere, die auch wollen und irgendwie Unterstützung kriegen und ich glaube, für die sind wir genau richtig und da dann irgendwie gucken, wo sind die denn und wie kommen wir an die ran. Das ist so ein großes Ziel und eine große Idee und dann halt einfach die Zeit und die Ruhe mitbringen zu können, sich in Ruhe die Sachen anzugucken. Das ist glaube ich ein Vorteil, den wir haben im Vergleich zu anderen, wo dann so Maßnahmenblöcke-mäßig man da irgendwie reinpassen muss oder auch dann halt nicht reinpasst. Und bei uns passt erstmal jeder rein so, weil wir uns halt so eins zu eins irgendwie beschäftigen können“ (I3, Z. 661 f.).

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Erreichen durch Partizipation der jungen Menschen

Die Fachkräfte nehmen die jungen Menschen in ihren Bedürfnissen und Wünschen ernst. Sie beziehen diese aktiv mit ein und überlegen zusammen, welche Möglichkeiten vorhanden sind, um diese gemeinsam zu erreichen.

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„… Und dass wir dann wirklich uns gemeinsam mit den Jugendlichen überlegen „Okay, was braucht ihr?“ Wie können wir das umsetzen, was gibt es da dafür Möglichkeiten. Und ich glaube das machen halt nicht viele, also einfach Leute auf der Straße ansprechen und fragen „Was braucht ihr hier, damit ihr glücklich seid und nicht jeden Tag saufen müsst?“ (I4, Z. 2151 f.).

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Erreichen durch Flexibilität und persönlichen Kontakt 

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit agieren auch in unvorhergesehenen und herausfordernden Situationen flexibel und ermöglichen einen für die Zielgruppe notwendigen persönlichen Kontakt. 

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„… als Corona war, als der Lockdown war … also wir hatten das Verbot, wir durften nicht rausgehen, im ersten Lockdown … Das war quasi von der Stadt wurde uns das vorgegeben … Da haben wir uns mit den Leuten verabredet. So, wir durften nicht offiziell rumfahren aber wir haben dann gesagt „Bist du auch gleich mal irgendwo da und da?“, dann trifft man sich halt durch Zufall … die brauchen dieses Face to face, die müssen dich sehen, wie du auf das reagierst, was sie dir vielleicht auch alles Krasses erzählen … Also ganz oft, dass die sich treffen wollten … Weil die auch gar keinen Bock darauf hatten oder halt nicht kommunizieren konnten über WhatsApp oder so. Also manchen Leuten fällt es leichter, das dann mal eben zu schreiben, wenn irgendwelche Probleme sind, aber die waren eher so „Können wir uns sehen?“. Also so habe ich es erlebt … Also gerade, wenn jemand wirklich in so ganz schwierigen Lebenssituationen ist, dann fällt es auch schwer, das mit Emoticons oder mit Worten zu beschreiben. Da reicht manchmal ein Blick oder auch mal zwei Minuten Schweigen viel besser, um zu verstehen, wo der gerade ist“ (I4, Z. 2066 ff.).

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Herausforderungen bei der Erreichung von nicht erfassten jungen Menschen in prekären Lebenssituation: Übersehene Fälle und versteckte Hilfsbedürftigkeit

Ebenfalls gibt es junge Menschen, welche von den Fachkräften der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit aufgrund von bürokratischen Hürden nicht erreicht, werden können. Diese sind meist nicht in der Lage auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen, obwohl sie einen hohen Hilfebedarf haben.

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„Und ähm, welche die wir nicht erreichen, sind die, die wahrscheinlich beim Jobcenter untergehen, Karteileichen, die können wir nicht erreichen, - die, die wir nicht sehen, nicht erreichen, weil sie sich nicht irgendwie im Stadtfeld aufhalten oder so … Also es gibt Karteileichen, dass die beim Jobcenter beispielsweise durch Corona einfach irgendwo liegt die Akte und da hat man nicht mal reingeschaut und vergessen, die in eine Maßnahme zu stecken, das gibt es auch … Und beim Übergang in den Über-25-Bereich merkt man dann „Oh shit, die Person ist gerade gar nicht in der Maßnahme“ … Ähm oder ja Menschen, die glaube ich gar nicht auf sich aufmerksam machen oder nicht machen können, aber eigentlich nur zu Hause sitzen und total viel Unterstützungsbedarf haben“ (I6, Z. 2493 f.).

 

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In der Übersicht der Projekte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit wird deutlich, dass verschiedene Zugangswege möglich sind und dass die Projekte unterschiedliche Ansätze verfolgen, um die Zielgruppe der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen zu erreichen. Bei allen Angeboten stehen jedoch die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Fachkräfte sowie die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe im Vordergrund. Es ist wichtig, Zugangswege zu schaffen, die von allen jungen Menschen in prekären Lebenssituationen genutzt werden können, da ihre Bedürfnisse und vorhandenen Ressourcen stark variieren. Hierbei flexibel und individuell zu agieren ist eine der größten Herausforderungen für die Fachkräfte.

6. Zielsetzung Aufsuchender Jugendsozialarbeit

Ziele – Worin sollen die jungen Menschen gefördert werden? Wohin sollen sie geführt werden?

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Die Ziele innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit wurden im Rahmen der Experteninterviews wie folgt benannt:

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1. Normalisierung der Lebenssituation und Schaffung geeigneter Lebensperspektiven 

Die Aufsuchende Jugendsozialarbeit zielt darauf ab, die Lebenssituation junger Menschen nachhaltig zu verbessern, statt nur kurzfristige Hilfestellung zu leisten. Der Fokus liegt hierbei auf der Entwicklung langfristiger Perspektiven, wobei die Existenzsicherung der jungen Menschen im Vordergrund steht. Ausbildung und berufliche Entwicklung sind zwar wichtige Bestandsteile dieses Prozesses, spielen jedoch eine unterstützende Rolle und stehen hierbei nicht im Vordergrund. Ziel ist es, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu ermöglichen, ein würdevolles ,normales‘ Leben zu führen, was eine berufliche Ausbildung und eine stabile Beschäftigung einschließen. Die Normalisierung ihrer Lebensverhältnisse wird als zentraler Aspekt angesehen.

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„Bei uns geht es um Perspektive und nicht um Versorgung in der Situation, sondern Verbesserung der Situation“ (I1, Z. 380 f.).

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„Gesellschaftliche Integration ist, das sind unsere groben Ziele. Dass die Jungs also in der Zukunft ein normales Leben haben, dazu gehört Beruf, Ausbildung und etc. Das ist unser Hauptziel“ (I2, Z. 843 f.).

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„Es geht hier um Beratung, perspektivisch irgendwie was zu tun“ (I1, Z. 520 f.).

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2. Prävention

In Ergänzung zur Schaffung geeigneter Lebensperspektiven legen die Fachkräfte großen Wert darauf, frühzeitig präventive Angebote anzubieten, die verhindern sollen, dass junge Menschen überhaupt erst in schwierige Situationen geraten.

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„…, dass man … für die Jugendlichen generell Situationen schaffen möchte, dass immer weniger in solche Situationen kommen, dass einfach andere Angebote da sind, die diese Jugendlichen schon frühzeitig auffangen … wo man einfach mehr hinguckt, wenn Jugendliche abgleiten … da einfach den Jugendlichen eine Stimme zu geben, dass die diese Hilfe frühzeitig brauchen (I4, Z. 892 f.).

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3. Empowerment – Förderung der Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentwicklung

Die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung ist ein zentrales Ziel innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, wobei die berufliche Entwicklung ein Teil davon ist, aber nicht das Hauptziel darstellt. Die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung erfordert von den Fachkräfte die jungen Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Interessen sowie Handlungsoptionen zu entdecken, ihre Selbstbestimmung und ihre persönliche Entwicklung zu fördern. Dabei wird der Fokus auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der jungen Menschen gelegt, um ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Lebenswege zu gestalten und zu verfolgen. Ein wichtiger Aspekt ist die Entwicklung zufriedenstellender Beziehungen und die persönliche Weiterentwicklung. Die jungen Menschen sollen lernen, sich selbst als kompetente und wirksame Personen wahrzunehmen. Die Hilfe zur Selbsthilfe und die gegenseitige Unterstützung unter den jungen Menschen spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

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„Gefördert in was, naja, immer Persönlichkeitsentwicklung (lacht) ist immer eigentlich das große Thema. Das ist eigentlich das größte Thema nach wie vor. Also Beruf ist halt ein Part davon, – deswegen haben wir ja auch keine Vermittlungsquoten oder sowas –, sondern es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Und es geht um Gestaltung des eigenen Lebens und der eigenen Handlungsoptionen im Prinzip. Und das sind die großen Ziele und dafür ist Beruf und berufliche Entwicklung natürlich ein wichtiges Thema, so und das ist aber so leicht untergeordnet, würde ich sagen“ (I3, Z. 1487 f.).

 

„Also was ist denn noch förderlich für die Persönlichkeit und für den Beruf sozusagen?... Da geht es natürlich immer darum, die eigenen Interessen rauszufinden, das Leben zu stabilisieren, zufriedenstellende Beziehungen zu entwickeln, sich als Mensch weiterzuentwickeln und anderen zu helfen … Selber wirksam zu werden, vielleicht selber auch als kompetente Person wahrgenommen zu werden. Und anderen zu helfen, haben wir festgestellt, ist total eine super Sache … die haben ja ganz viel Ressourcen und ganz viele Fähigkeiten und Kompetenzen und Kontakte, unglaublich. Und dass man das einfach viel mehr mitdenkt … irgendwie mit einbeziehen und sie darin auch unterstützen und stärken, diese Sachen zu sehen und auch auszubauen. Das finde ich total wichtig“ (I3, Z. 1501 f.).

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4. Gesellschaftliche Integration

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit legen zudem großen Wert darauf, die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten. Sie unterstützen sie dabei, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten und gesunde und positive Beziehungen zu führen. Dazu gehört auch die soziale Integration der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Gemeinschaften und Netzwerken vor Ort. Dies umfasst die Förderung von Freundschaften, sowie die gegenseitige Unterstützung durch die Jugendlichen selbst. Dadurch wird den jungen Menschen ermöglicht, stabile soziale Bindungen aufzubauen und Verantwortung für andere zu übernehmen. Gleichzeitig lernen sie, sich aktiv in Gruppenprozesse einzubringen.

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„…dass eben Jugendliche selber auch lernen ein bisschen mehr Verantwortung zu übernehmen oder sich irgendwie auch einzubringen und Gruppenprozesse mitzugestalten“ (I3, Z. 453 f.).

 

„Sondern es soll irgendwie ein Miteinander sein. Und wenn es irgendwie möglich ist, die Kompetenz von ihnen mit einzubeziehen oder ihnen auch irgendwie so ein, also wir geben denen jetzt keinen Platz in der Gesellschaft, aber ich glaube schon, dass es für Jugendliche wichtig ist, auch außerhalb ihres Freundeskreises und außerhalb von Beruf irgendwie so sich zu entwickeln … so ein bisschen Verantwortung mehr zu übernehmen, vielleicht auch für die Jüngeren und sich da so heranzutasten … und das so, das irgendwie zu unterstützen … Und da ist natürlich Beruf ein wichtiger Punkt, aber alles andere auch: Hobbys, wie verbringe ich meine Freizeit, wann entscheide ich selber, ob ich jetzt noch vorm Computer sitze und spiele oder vielleicht doch was anderes mache und mich um andere Sachen kümmere oder so. Und da ist es natürlich auch schön, wenn man die Leute zusammenbringen kann, irgendwie“ (I3, Z. 1525 ff.).

 

„Und wie gesagt, wir sind mobil und das Ziel durch solche Aktionen, also dass die Jugendlichen sich gegenseitig kennenlernen. Und dadurch entsteht nicht nur Konflikte immer … aber Freundschaften auch. Dann treffen sie sich irgendwie am Nachmittag, dann entsteht irgendwas anderes, also manchmal was Positives, dass die Jungs sich treffen und dann Zeit verbringen, entsteht Freundschaft und gegenseitige Unterstützung“ (I2, Z. 406 f.).

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Beeinflussende Faktoren und Methoden zur Zielerreichung

Um diese aufgeführten Ziele zu erreichen, nutzen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verschiedene Methoden. Diese Methoden bilden die Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele und umfassen:

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Flexible Methoden und kleinschrittige Ziele in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in prekären Lebenssituationen erfordert eine flexible und anpassungsfähige Herangehensweise der Fachkräfte. Hierbei ist es entscheidend, auf Veränderungen in den Lebensumständen der jungen Menschen zu reagieren und kontinuierlich neue Strategien zu entwickeln, um sich den wandelnden Bedürfnisse gerecht zu werden. Dabei verfolgen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit oft kleinschrittige und kurzfristige Ziele, die auch konzeptionell als Teil eines größeren Prozesses betrachtet werden. Kleine Erfolge wie die Sicherung der Grundbedürfnisse, sind wichtige Schritte zur Stabilisierung und langfristigen Verbesserung der Lebenssituation junger Menschen und legen somit den Grundstein für größere Veränderungen. Die Hilfsangebote für die jungen Menschen werden stetig angepasst und weiterentwickelt, um eine wirksame Unterstützung zu bieten.

 

„Und das ist, glaube ich, auch so ein wichtiges Ziel in der Aufsuchenden Arbeit, dass man sich da immer wieder auch neu überlegt“ (I4, Z. 859 f.).

 

„Ja, es ist immer anders. Wir müssen sehr flexibel sein. Wir müssen uns immer neu anpassen. Arbeiten autark … Und wir haben im Hinterkopf natürlich ein Ziel. Teilnehmer hat das vielleicht nicht so ganz und wir arbeiten an dieser Sache ganz gezielt und fokussieren das alles … Wir sind schon richtig, richtig cool (lacht)“ (I6 Z. 4369 f.).

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„Dass man also auch vielleicht in kleinen Schritten, ein bisschen was bewegen kann, außerhalb der einzelnen Hilfen. Zumindest habe ich manchmal die naive Hoffnung, dass das möglich ist“ (I4, Z. 2353 f.).

 

„Also wo man erst mal so schrittweise versucht, Ziele zu erreichen so ganz kleinteilig, mit ganz viel auf und ab“ (I4, Z. 892 f.).

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Kooperation und Begleitung als Methode zur Zielerreichung

Als Methode zur Zielerreichung beziehen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit die jungen Menschen aktiv in den Prozess ein und fördern deren Partizipation an der Bearbeitung ihrer Probleme.

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„Und Ziel ist es einfach, die bestmögliche Arbeit anzubieten, die wir machen können. Und da eben Jugendlichen aus einer Not-, Krisen-, Konfliktsituationen einen Weg aufzeigen zu können, den man dann gemeinsam geht, - den können wir natürlich nicht alleine gehen-, da sind wir auf die Mitarbeit angewiesen“ (I4, Z. 859 f.).

 

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Fürsprache und Lobbyarbeit als methodischer Ansatz

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit fungieren als Fürsprecher der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um strukturelle Veränderungen voranzutreiben und präventive Angebote zu etablieren. Sie fördern die gesellschaftliche Integration, indem sie die Öffentlichkeit für die Bedürfnisse der jungen Menschen sensibilisieren und ihnen eine starke Stimme verleihen. Durch gezielte Lobbyarbeit setzen sie sich dafür ein, dass frühzeitige Hilfsangebote bereitgestellt werden.

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„…dass man als Anwalt der Jugendlichen für die Jugendlichen generell Situationen schaffen möchte, dass immer weniger in solche Situationen kommen, dass einfach andere Angebote da sind, die diese Jugendlichen schon frühzeitig auffangen … Das ist natürlich perspektivisch so ein übergeordnetes Ziel, da einfach den Jugendlichen eine Stimme zu geben, dass die diese Hilfe frühzeitig brauchen“ (I4, Z. 892 ff.).

 

„Das ist schon auch ordentliche Lobbyarbeit für das Klientel“ (I1, Z. 1162 f.)

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Teamarbeit, Fortbildung und Selbstreflexion als Methode zur Zielerreichung

In der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit spielt Teamarbeit eine zentrale Rolle. Regelmäßige Teamgespräche und Supervisionen sind essenziell, um sicherzustellen, dass die Fachkräfte kontinuierlich neue Impulse erhalten und ihre Arbeit reflektieren können. Diese Prozesse fördern Reflexion, Kreativität und Effektivität der Fachkräfte und sind entscheidend für die Qualität und Wirksamkeit des Angebots. Sie ermöglichen es den Fachkräften, kontinuierlich zu lernen, sich weiterzuentwickeln und flexibel auf die Bedürfnisse der jungen Menschen einzugehen. 

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„So diese Zwischengespräche zu den Teilnehmern, die sind sehr, sehr wichtig, weil Kolleginnen und Kollegen, die haben vielleicht eine Idee, auf die ich gar nicht gekommen bin, weil ich da mich auch irgendwo festgefahren habe … Andere Impulse, so, eine andere Sicht auf die Dinge“ (I6, Z. 4422 f.).

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„Und auch so dieses, wann grenze ich mich wie ab und wieviel mache ich mit und nicht, da ist auch jeder ein bisschen anders und das müssen wir dann verhandeln und das sorgt auch mal für Diskussionen, und solange die gut miteinander verhandelt werden, ist es ja auch total okay und total befruchtend oder irgendwie lehrreich für alle. Also wie macht es die andere Person und ab wann ist es vielleicht gar nicht mehr so gut und wann ist es auch, wäre es auch mal total gut, dass eigene zu verändern oder so. Wir versuchen einen Diskussionsprozess hinzukriegen … wenn wir Zeit dafür haben“ (I3, Z. 219 f.).

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„Supervision haben wir die auch gut ist. Da machen wir es auch nicht nur Fall-Supervision, sondern auch so uns selber irgendwie absprechen und austauschen, wie es uns geht . . . auch Team-Supervison (I3, Z. 2288 f.).

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„Das ist auch wichtig, also dass wir auch flexibel sind in der Arbeit, damit das gelingt plus, - das erarbeiten wir auch manchmal in Supervision … also, dass wir uns auch erst einmal austauschen, ist total wichtig, um von außen von meinen Kollegen eine Meinung zu hören von „entweder vielleicht bist du gar zu nah dran“ oder „nimm dir doch den Druck“ oder „probier doch mal das und das aus“, was ich selber gar nicht sehen kann vielleicht gerade. Man wird ja manchmal auch betriebsblind, das passiert“ (I6, Z. 2397 f.).

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„Das erwarte ich auch von jedem hier, jeder Mitarbeiter*in, dass man da immer irgendwie guckt, wo stehe ich selbst und wie komme ich an … ich erwarte hier so ein bisschen Selbstreflexion oder wir erwarten das grundsätzlich, dass man guckt, wie man ankommt beim Klientel“ (I1, Z. 2151 f.).

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„Dann machen wir häufig … Fortbildungen zusammen … gemeinsame“ (I1, Z. 1200 f.). 

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Forschungsmethodisches Vorgehen: Konzeptentwicklung und Anpassung der Angebote

Eine zentrale Methode zur Zielerreichung in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ist die kontinuierliche Entwicklung und Anpassung der Konzepte. Da sich die Lebenswelten der jungen Menschen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen ständig wandeln, kommen neue Zielgruppen und Herangehensweisen hinzu. Diese Methode umfasst die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung der Angebote, um auf die sich verändernden Bedürfnisse der jungen Menschen und die wandelnden Rahmenbedingungen einzugehen.

Dabei werden unterschiedliche regionale und urbane Gegebenheiten berücksichtigt und die Zusammenarbeit und Kooperation mit verschiedenen Institutionen und Einrichtungen, wie Ordnungsbehörden intensiviert, um ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk zu schaffen. Die Fachkräfte aktualisieren ständig ihre Strategien, hinterfragen die Zielgruppen und die angestrebten Ergebnisse, identifizieren Defizite und passen ihre Ansätze entsprechend an. Die Anpassungen werden im Team diskutiert und abgestimmt. Zudem ist die Konzeptarbeit oft zur Bewerbungsphase für Ausschreibungen, beispielsweise bei Förderung durch das Jobcenter, und ist auch Teil der Akquise neuer Gelder.

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„...dass man sich updatet, aktualisiert, ständig guckt…wer ist die Zielgruppe? 

Was möchte ich erreichen? Wie kann ich erreichen? Was braucht es dafür?“ (I1, Z. 2076 f.).

 

„…unser Angebot ist ja eine einzige Veränderung stetig immer schon gewesen, weil es eben original Streetwork, hauptsächlich draußen, ganz klein so angefangen hat und dann immer größer wurde, weil Bedarfe entdeckt wurden“ (I1, Z. 1980 f.).

 

„Und das ist, glaube ich, auch so ein wichtiges Ziel in der Aufsuchenden Arbeit, dass man sich da immer wieder auch neu überlegt … Sondern dass man eben immer wieder auch überlegt, in welchem Stadtteil ist, vielleicht gerade wieder ein bisschen mehr los?“ (I4, Z. 859 f.).

 

„Es gibt so übergeordnete ferne Ziele, die mir immer im Kopf sind, also Konzeptentwicklung, wie Aufsuchende Arbeit im ländlichen Raum funktioniert. Konzeptentwicklung, wie Aufsuchende Arbeit in der Stadt funktioniert, in Zusammenarbeit mit Ordnungsbehörden, mit Polizei, mit Jugendgerichtshilfe“ (I4, Z. 881 f.).

 

Oder wenn uns Sachen irgendwie auffallen, sind wir ja auch aufgefordert, sich dazu einzubringen, wo Bedarfe sind oder wo Sachen noch fehlen. Aber gut, bei manchen Sachen redet man schon lange (lacht), so an Maßnahmen oder so, ob sich da was ändert, ist die andere Frage. Aber ja … gefragt werden wir zumindest, wo wir Lücken sehen oder was gerade Themen sind, woran es liegt oder so… (I3, Z. 1266 f.). 

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„Also, wir haben auf jeden Fall ein Konzept, aber das ist jetzt schon ein bisschen her. Also es ist schon wichtig, ein Konzept zu haben, aber wichtig ist ja auch, dass es alle kennen (lacht) oder dass man darüber diskutiert und irgendwie damit umgeht“ (I3, Z. 2102 f.). 

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Erfolg und Messbarkeit der Zielerreichung 

Die Überprüfung der Zielerreichung der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit innerhalb der Projekte, bzw. Einrichtungen ist schwer messbar, da positive Entwicklungen oft nicht unmittelbar sichtbar sind. Für die Fachkräfte ist es jedoch wichtig, auch kleine Fortschritte als Erfolge zu betrachten, wie zum Beispiel das Wiedererlangen von Stabilität im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen oder der Teilnahme dieser an Weiterbildungsmaßnahmen. 

Erfolg wird hierbei nicht in Zahlen gemessen, sondern in Gesprächen und kleinen Schritten und Erfolgserlebnissen der teilnehmenden jungen Menschen. Durch diese Vorgehensweise arbeiten die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit nachhaltig an einer Verbesserung der Lebenssituation der jungen Menschen.

 

„Das ist immer so schwierig mit dem Erfolg in unserem Bereich, so schwierig messbar, weil gerade, keine Ahnung, wenn was gut läuft, dann hört man leider meistens nichts mehr“ (I1, Z. 833 f.).

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„Wenn wir jetzt mit jemandem zusammenarbeiten und die Person hat jetzt wieder einen weiteren Schritt aus ihrer Isolation von der Straße weg gemacht, ist das sicherlich ein Erfolgserlebnis für uns beide, für den jungen Menschen und für uns auch“ (I4, Z. 1066 f.). 

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„…die Jugendlichen sollen halt im Mittelpunkt stehen und nicht die Statistik“ (I3, Z. 1252 f.)

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„Ich finde, das kannst du total schlecht abschätzen, weil manchmal haben wir an manchen Tagen zwanzig unterschiedliche Gespräche und die waren alle gut so und man war zufrieden. Und an einem anderen Tag war aber nur ein Gespräch und das war so wertvoll, also für diesen Jugendlichen, dann würde ich eigentlich sagen, „Okay, das war viel erfolgreicher jetzt als die zwanzig Gespräche, die ich davor hatte“ (I4, Z. 1059 f.).

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„Ich fand in dem Moment, den Auftrag, den ich bekommen habe, dass ich den erfüllt habe. Wenn jemand sagt „Ey, danke, das war mir ne super Hilfe!“ (I1, Z. 1744 f.).

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„ Und das ist auch für uns, denke ich, ein Erfolg, dass wir schon seit so vielen Jahren auch so angenommen werden. Weil Vertrauen muss man sich ja erarbeiten und wenn wir ja teilweise auch angesprochen werden, wenn wir unterwegs sind, ist das auch ein Zeichen von, ich sag jetzt mal, Erfolg … dass wir akzeptiert werden, da wo wir eigentlich auch zu Gast sind … am Bahnhof, sind wir genauso Gast wie jetzt ein Jugendlicher“ (I4, Z. 1078 f.).

 

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Gelingen – wann gelingt das Angebot

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Beziehung und Vertrauensaufbau

Die Beziehung zwischen Fachkräften und Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist zentral für den Erfolg der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Hierbei ist es für die Fachkräfte entscheidend flexibel zu agieren und regelmäßige Beziehungen zu den jungen Menschen aufzubauen und zu pflegen. Supervision, sowie der Austausch innerhalb des Teams kann helfen, externe Perspektiven zu gewinnen und so Betriebsblindheit zu verhindern. Der Beziehungsaufbau erfordert eine Eintauchen in die Lebenswelt der jungen Menschen, um dessen Bedürfnisse und Herausforderungen zu verstehen. Vertrauen ist die Basis jeder erfolgreichen Intervention. Viele Jugendliche und junge Erwachsene in prekären Lebenssituationen verfügen über kein stabiles soziales Umfeld, weshalb der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit besonders wichtig ist. Dies erfordert regelmäßigen Kontakt und die Bereitschaft der Fachkräfte, sich intensiv mit den individuellen Problemlagen der AdressatInnen der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit auseinanderzusetzten.

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„Das ist auch wichtig, also dass wir auch flexibel sind in der Arbeit, damit das gelingt plus, –das erarbeiten wir auch manchmal in Supervision –, immer in Beziehung zueinander bleiben, immer wieder in den Beziehungsaufbau [zu gehen] … Also, dass wir uns auch erst einmal austauschen, ist total wichtig, um von außen von meinen Kollegen eine Meinung zu hören von „Entweder vielleicht bist du gar zu nah dran“ oder „Nimm dir doch den Druck“ oder „Probier doch mal das und das aus“, was ich selber gar nicht sehen kann vielleicht gerade. Man wird ja manchmal auch betriebsblind, das passiert. Und aber auch zu sagen, naja, ich bleibe immer in enger Beziehung zu meinem Teilnehmer und tauche in die Lebenswelt mit ein, versuche mich da hineinzuversetzen“ (I6, Z. 2397 ff.).

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„Das fängt an bei erst mal sprechen, eine Beziehung aufbauen, ein Vertrauensverhältnis schaffen. Viele von unseren Teilnehmern haben das nicht. Ich habe einige Teilnehmer, die gar kein soziales Umfeld haben. Also die haben vielleicht einen Partner, eine Partnerin, das war's. Und dann ein Vertrauensverhältnis aufbauen, überhaupt mal zu schauen, regelmäßiger Kontakt, einmal die Woche Kontakt aufbauen, sich austauschen, allein auf die Frage antworten wie geht es mir denn gerade so? … Und dann zu schauen, was sind denn überhaupt Probleme, die ich im Alltag zu bewältigen habe, das kann Post sein, das kann Wohnung sein, das können Anträge sein, regelmäßig essen, schlafen … gesundheitliche Themen, ganz viel, psychische Themen auch. Also ein Riesenberg, wo wir uns erst mal durchboxen. Das Endziel kann sein, die Person geht arbeiten oder der gesundheitliche Zustand ist geklärt, also ist die Person überhaupt langfristig arbeitsfähig oder nicht … Das kann halt alles sein“ (I6, Z. 71 f.).

 

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Authentizität

Authentizität bedeutet, in der Kommunikation mit den jungen Menschen, denen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit täglich begegnen, ehrlich und transparent zu sein. Es beinhaltet zudem, konfrontative Gespräche zu führen, wenn notwendig, und die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ernst zu nehmen, indem die Fachkräfte ihre eigene Meinung vertreten und in einen offenen Austausch mit den jungen Menschen treten. Dies fördert eine offene und ehrliche Beziehung, die es den jungen Menschen ermöglicht, Vertrauen zu den Fachkräften aufzubauen.

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„… wir sind auch konfrontativ. Also ist jetzt nicht so, dass wir, wenn wir da sind, alles toll finden, was da passiert … nein, es gehört glaub ich auch dazu, dass wir authentisch sind und dass die auch sehen, mit uns kann man sich auch reiben … Aber so auf lange Sicht merken wir schon … dass Jugendlichen genau das fehlt, dass man sie ernst nimmt und dass man einfach auch dann durchaus mal seine Meinung vertritt, ohne jetzt die vielleicht in ihrem Standpunkt runterzumachen, sondern einfach zu sagen „Du magst diese Meinung haben, ich habe da eine völlig andere“ und dass man darüber ins Gespräch kommt. Zum Beispiel mit rechten Jugendlichen … aber wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen, dass dieses Gedankengut jetzt nicht … von uns ungehört einfach da gesagt werden kann, sondern dann sagen wir schon auch was … Das macht es dann wieder so ein bisschen aus, dass die sehen, die sind echt … Genau diese Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sachen kann auch eine ganz große Chance sein, dass die eben sehen, die meinen es ehrlich, die sind ehrlich“ (I4, Z. 1122 f.).

 

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Verlässlichkeit

Verlässlichkeit ist ein grundlegendes Prinzip innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Die Fachkräfte müssen verlässlich und konsequent in ihrem Handeln sein. Pünktlichkeit und Beständigkeit schaffen Vertrauen und Verbindlichkeit, was essenziell für eine stabile und glaubwürdige Beziehungen zu den jungen Menschen ist. Auch eine verlässliche langjährige stabile Beziehung der Fachkräfte zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördert das Vertrauen in diese und schafft somit die Basis für eine gelingende Förderung der jungen Menschen.

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„… wenn wir was anbieten, dann muss das laufen … Du musst immer da pünktlich sein, also ohne Ausnahmen. Wenn du sagst, „Ja, heute ist das Wetter schlecht, wir laufen draußen nicht!“- Nein, dann kriegst du gar nichts mehr hin … Wenn du einen Schritt nach links machst, dann gehst du nie wieder gerade. Nee, also dann ist das Larifari für die, also keine Disziplin. Wenn du von denen was verlangst, dann musst du selber so was anbieten“ (I2, Z. 923 f.).

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„Also wenn ein Mitarbeiter und Mitarbeiterin wechselt, dann brechen auch ein paar Jugendliche mit weg, andere bleiben, aber manche gehen dann auch. Ist auch irgendwie mal ganz gut (lacht). Oder wenn ich vielleicht auch mal länger nicht da war oder so was, dann verabschieden sich auch manche. Das ist ja auch ganz schön, oder auch ganz gut, vielleicht so als cut. Aber man merkt schon, dass es dann auch teilweise an den Leuten hängt. Und dafür ist es dann auch gut, wenn es eine Kontinuität gibt … weil wir arbeiten ja auch teilweise über Jahre miteinander“ (I3, Z. 2656 f.).

 

 

Zeit und Ruhe

Die Arbeit mit der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in prekären Lebenssituationen erfordert Geduld und Gelassenheit. Das Optimum laut der Fachkräfte ist es hierbei, sich ausreichend Zeit nehmen zu können, um die Bedürfnisse und Probleme der jungen Menschen gründlich verstehen und entsprechende Maßnahmen in Ruhe planen und umsetzen zu können. Die Bedarfslagen und Bedürfnisse der Zielgruppe sollte hierbei im Vordergrund stehen anstelle von vorgegebenen Zielerreichungen und festen Richtlinien.

„Auch irgendwie die innerliche Ruhe zu haben, sich auf die Person einlassen zu können und zu sagen „Okay, was ist jetzt Thema und was machen wir denn?“ (I3, Z. 1735 f.).

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Und so versuche ich das hier zu handhaben, dass, sage ich mal, eine Ruhe auch da ist …“(I4, Z. 2857 f.).

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„Das ist so ein großes Ziel und eine große Idee und dann halt einfach die Zeit und die Ruhe mitbringen zu können, sich in Ruhe die Sachen anzugucken“ (I3, Z. 664 f.).

 

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Niedrigschwelligkeit des Angebotes

Besonders die Niedrigschwelligkeit in den Angeboten der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ist entscheidend, um den Zugang zu den Hilfen möglichst einfach zu gestalten. Es sollte kein Druck auf die jungen Menschen ausgeübt werden, sondern vielmehr sollten ihnen die Möglichkeit gegeben werden, Hilfe in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Bedingungen anzunehmen. Die Fachkräfte geben hier immer wieder Chancen zum Beziehungsaufbau und überlassen den jungen Menschen die Führung.

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„… also wenn jemand zum Termin nicht kommt, … dann fragt man dann schon mal so „Hey, hat nicht gepasst heute? Wollen wir es nochmal versuchen? … Druck finde ich nicht im Zuge von niederschwellig das Richtige… Vielleicht ist nicht der richtige Zeitpunkt jetzt, aber kannst du ja mal im Kopf behalten, dann kommst du wieder“ (I1, Z. 1855 f.).

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„Und es ist ja auch eine freiwillige, niedrigschwellige Beratung sozusagen …“ (I3, Z. 1282 f.).

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„Ich weiß morgens es kann auch ganz anders sein. Aber ist ja auch ganz spannend …, dass es auf jeden Fall nicht so ist, wie man es sich plant. Aber ich versuche mir Zeiten zwischen den Gesprächen zu lassen, weil viele kommen ja auch mal später oder weil sie vercheckt sind, aber auch, weil die Bahn wirklich mal nicht fährt. Zu sagen „Ach, wenn jemand es aber nicht schafft, hier pünktlich zum Termin zu kommen, dann ist er auch nicht ausbildungsreif“ halte ich für schwierig, weil es kann was dazwischen kommen und viele passen auf kleine Geschwister auf, müssen was für die Eltern erledigen, hatten noch ein Gespräch in der Schule. Es gibt auch wirklich Gründe, warum Leute dann auch zu spät kommen, das finde ich auch total okay“ (I3, Z. 1710 f.).

 

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Ressourcenorientierung und Partizipation

Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen und deren Partizipation an dem Gestaltungsprozess der Unterstützung ist essenziell, um realistische und erreichbare Ziele zu setzen. Diese Ziele werden in der Regel gemeinsam mit den jungen Menschen besprochen und entwickelt, wobei ihre Lebensumstände, vorhandene Ressourcen und Bedürfnisse von den Fachkräften berücksichtigt und in die Planung einbezogen werden. Regelmäßige Teilnahme und Engagement im Projekt können innerhalb der Zielgruppe der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit nicht immer vorausgesetzt werden, daher ist hier eine große Flexibilität der Fachkräfte und eine Niedrigschwelligkeit in den Angeboten gefragt, um immer wieder in den Beziehungsaufbau mit den jungen Menschen gehen zu können.

 

„Zu Beginn geht es darum, dass man so ne Beziehung aufbaut, das ist ein wichtiges Ziel! Und die anderen Ziele, die werden wir dann nach und nach mit den Teilnehmern zusammen erarbeiten. Also hängt ja vom Bedarf ab ... wäre ja auch voll unrealistisch bei ganz vielen Leuten, die weil die ewig weit weg von der Beschäftigung und vom ersten Arbeitsmarkt sind. Also mein Ziel ist - das brauchen wir auch für unsere Doku-, ein klassisches Ziel ist „Der Teilnehmer nimmt regelmäßig an dem Projekt, nimmt das Angebot des Projekts wahr … und da kann man auch auslegen, was heißt regelmäßig, zweimal die Woche, einmal die Woche, einfach nur WhatsApp schreiben oder so? Das ist zum Beispiel das Ziel, was ich mir setze in der Arbeit. Alle anderen Ziele werden vom Teilnehmer oder mit dem Teilnehmer formuliert, würde ich sagen. Aber das ist so das einzige, weil das ja das Minimum ist für die Zusammenarbeit und da hängt der Beziehungsaufbau mit dran, also dieses „nimmt das Angebot irgendwie wahr“.“ (I6, Z. 2165 f.).

 

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Zielgruppenflexibilität

Die Zielgruppe innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ist vielfältig gestaltet und umfasst Jugendliche und junge Erwachsene in unterschiedlichen Lebenslagen. Die Angebote sind anpassungsfähig, um den spezifischen Bedürfnissen unterschiedlicher Zielgruppen gerecht zu werden, und werden regelmäßig auf ihre Nachhaltigkeit und Erreichbarkeit überprüft. Diese Flexibilität trägt wesentlich zum Erfolg der Aufsuchenden Arbeit bei.

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„...dass man sich updatet, aktualisiert, ständig guckt…wer ist die Zielgruppe? Was möchte ich erreichen? Wie kann ich erreichen? Was braucht es dafür?“ (I1, Z. 2076 f.).

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„Und das ist, glaube ich, auch so ein wichtiges Ziel in der Aufsuchenden Arbeit, dass man sich da immer wieder auch neu überlegt“ (I4, Z. 859 f.).

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„…ja, es ist dann insofern schon auch methodisch, weil ich muss ja gucken, welche Methoden muss ich vielleicht nutzen….und wie gesagt, sonst wäre ich als Streetworker nicht auf Online-Beratung gekommen“ (I1. Z. 2083 f.).

 

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Langfristige Begleitung

Die Aufsuchende Jugendsozialarbeit zeichnet sich durch eine langfristige Begleitung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus. Dies kann über Monate oder sogar Jahre hinweg erfolgen. Die Freiwilligkeit der Teilnehmenden steht hierbei im Vordergrund. Sowohl  die Frustrationstoleranz der Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ist hier gefordert, welche Beziehungsabbrüche, jahrelange Begleitung ohne sichtbare Erfolge und auch Überführungen in andere Maßnahmen begleiten, als auch ein stetes Angebot einer kontinuierlicher Unterstützung der jungen Menschen.

 

„Und die, die andocken, mit denen haben wir schon teilweise ziemlich lange zu tun. Also manche begleiten wir über Monate, manche über Jahre tatsächlich. Also ist sehr unterschiedlich, manche wachsen so ein bisschen mit uns auf, (lacht) sage ich mal, das ist dann auch ganz interessant, so die verschiedenen Etappen kennenzulernen … ja manches begleiten wir wirklich sehr lange mit“ (I3, Z. 346 ff.).

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„Jetzt … ja, sag ich mal, einige können sich von uns auch nicht trennen, die bleiben an uns weiter hängen“ (I2, Z. 116 ff.).

Und dafür ist es dann auch gut, wenn es eine Kontinuität gibt … weil wir arbeiten ja auch teilweise über Jahre miteinander“ (I3, Z. 2656 f.).

 

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Lokale Vernetzung

Die enge Vernetzung mit lokalen Akteuren und Institutionen ist unerlässlich, um ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Dies umfasst Kooperationen in Schulen, mit Jugendämtern, Jobcentern, Beratungsstellen und anderen relevanten Institutionen und Einrichtungen.

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„…Konzeptentwicklung, wie Aufsuchende Arbeit in der Stadt funktioniert, in Zusammenarbeit mit Ordnungsbehörden, mit Polizei, mit Jugendgerichtshilfe“ (I4, Z. 881 f.).

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„… warum es bei uns nochmal so viel wichtiger ist, dieses vernetzte Arbeiten. Dadurch brauchen wir halt die Kontakte zu den Jugendlichen, aber auch zu den Kooperationspartner*innen. Und das macht es, glaube ich so, von den Personen abhängig, dass man das als Person auch hat. Also ich kann mich ja nicht aufs Renommee oder auf eine Zuständigkeit oder sagen, per Anweisung müssen wir jetzt zusammenarbeiten oder so, wie es vielleicht mit anderen Institutionen ist. Oder wir kooperieren jetzt einfach, weil wir institutionell kooperieren, sondern es geht halt schon über Kontakte und über Beziehungen, also eine Arbeitsbeziehung, die man hat, sozusagen. Und deswegen ist es schon … wenig austauschbar, würde ich sagen, so die Kolleginnen und Kollegen“ (I3, Z. 2612 f.)

 

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Autonomie in der Arbeitsgestaltung

Autonomie in der Arbeitsgestaltung innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit bedeutet, dass Fachkräfte ohne den Druck von starren bürokratischen Vorgaben agieren können. Dies ist laut den Fachkräften unerlässlich für eine individuelle und bedarfsgerechte Unterstützung der jungen Menschen, bei der der Fokus auf den konkreten Bedürfnissen und Lebensumständen der Betroffenen liegen. Diese Freiheit erlaubt es den Fachkräften der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, flexibel und kreativ auf verschieden Situationen zu reagieren und eine wirksame Unterstützung anzubieten. Die Fachkräfte beschreiben, dass diese Autonomie teilweise in ihren Projekten und Einrichtungen gegeben ist, gleichzeitig jedoch oft durch institutionelle Rahmenbedingungen und finanzielle Vorgaben eingeschränkt wird. Die Notwendigkeit, Rechenschaft gegenüber Förderern abzulegen und bestimmte Leistungsnachweise zu erbringen, kann die Flexibilität und Möglichkeit, individuell auf die Bedürfnisse der jungen Menschen einzugehen, einschränken. Obwohl diese Herausforderungen bestehen, bemühen sich die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, den individuellen Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht zu werden und ihre Angebote entsprechend anzupassen, indem sie kreative Lösungen, wie z. B. die Online-Beratung entwickeln und eng mit anderen Akteuren zusammenarbeiten.

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„Das gibt uns eine Riesenfreiheit in der Arbeit, dass ich auch nicht den Druck habe, dass ich kein Druck verspüre, wenn mein Teilnehmer sich heute nicht meldet und „Oh Gott, ich muss dem Jobcenter ja was..“ - also in anderen Projekten ist das so, du bist dann dem Jobcenter verpflichtet, irgendwie Rechenschaft abzulegen oder so..“ (I6, Z. 2193 f.).

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„Unsere Kernarbeit ist im Einzelfall zu helfen. Und die Freiheit, die haben wir ja nach wie vor … dass wir eben genau gucken können, individuell, was braucht die Person, die mir gegenübersitzt“ (I1, Z. 384 f.).

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„Wir können da wirklich sehr frei arbeiten von diesem organisatorischen Rahmengerüst oder vom Auftrag, den wir haben und das finde ich auch sehr zufriedenstellend“ (I3, Z. 1336 f.).

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„Also wir haben ein Streetwork-Protokoll, … aber sonst müssen wir nicht dokumentieren … da sind wir sehr frei“ (I4, Z. 803 f.).

 

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Materielle Ressourcen und geeignete Räumlichkeiten

Materielle Ressourcen und geeignete Räumlichkeiten sind Voraussetzungen für die Angebote der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, welche leider nicht immer erfüllt sind. Büros, und einladend gestaltete Räume mit Sitzgelegenheiten und Möglichkeiten zum Verweilen, bieten einen sicheren Ort für Beratungsgespräche und Clearing-Gespräche. Materielle Ressourcen wie Erreichbarkeit und ein fester Wohnsitz auf Seiten der jungen Menschen bilden die Grundlagen für eine stabile und kontinuierliche Unterstützung durch die Fachkräfte. Oft besteht die Aufgabe der Fachkräfte darin, diese Voraussetzungen für die Teilnehmenden an den Angeboten zunächst zu schaffen.

 

„Ja, und was mir aber noch mal ganz unabhängig davon eingefallen ist als Gelingensfaktoren … ich finde Räume tatsächlich auch wichtig. Also klar kann man auch so eine Arbeit auch oft ohne ein Haus sozusagen oder so Räumlichkeit im Sinn von Beratungsräumen oder so denken … Aber ich finde es schon total wichtig, dass wir auch über Räume verfügen, wo wir auch Gespräche machen können“ (I3, Z. 1950 ff.).

 

„Also die verschiedenen Ressourcen sind es einfach, also materielle Ressourcen, wie zum Beispiel, dass jemand erreichbar ist, ein Handy hat oder einen festen Wohnsitz oder so, dass wir die Person.., ja, dass wir den Kontakt immer wieder herstellen können, das ist ja schon wichtig, wenn ein Ziel ist, dass die Teilnahme an dem Projekt regelmäßig ist, also dass die Person überhaupt die Ressourcen hat, das nutzen zu können, also das ist das Unterste von allen, würde ich sagen“ (I6, Z. 2387 f.).

 

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Resümee

Laut des Didaktik Modells von Wolfgang Schulz, kann (sozial)pädagogisches Handeln nur dann allen Beteiligten, also auch den Adressat*innen und Fachkräften Sozialer Arbeit „gerecht“ werden, „wenn sie sich … über Ziele und Wege, Voraussetzungen und Folgen verständigen, in einem Dialog, der im wechselseitigen Respekt geführt wird“ (Schulz 1995, S. 95).

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In Bezug auf die Aufsuchenden Jugendsozialarbeit bedeutet dies, dass eine offene Kommunikation unter den Fachkräften der einzelnen Projekte, Maßnahmen unerlässlich für eine erfolgreiche Angebotsgestaltung für junge Menschen in prekären Lebenssituationen ist. 

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Die aufgeführten Ziele, Methoden und Gelingensbedingungen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verdeutlichen die Vielschichtigkeit und die flexible Herangehensweise der Fachkräfte, welche darauf abzielt, die vielfältigen und individuellen Bedürfnisse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu adressieren und ihnen daran angepasste umfassende Unterstützung zu bieten. 

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Die Erkenntnisse illustrieren, dass Aufsuchende Jugendsozialarbeit darauf abzielt, die jungen Menschen in ihrer gesamten Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, ihnen Orientierung zu bieten und ihre Selbstwirksamkeit zu fördern. Dies geschieht durch eine flexible, anpassungsfähige und ressourcenorientierte Herangehensweise, die sowohl die persönlichen als auch beruflichen Aspekte der Entwicklung dieser berücksichtigt.

7. Pädagogische Grundsätze Aufsuchender 
Jugendsozialarbeit

Innerhalb der Experteninterviews wurden von den Fachkräften der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit folgende Pädagogische Grundsätze ihrer Arbeit benannt.

 

Empathie und Beziehung als Kernkompetenzen in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die Fachkräfte legen großen Wert darauf, in ihrer Arbeit kundenorientiert mit den jungen Menschen zu agieren. Dies bedeutet, dass sie ihre Angebote an die Bedürfnissen der jungen Menschen in prekären Lebenssituationen anpassen und dementsprechend gestalten. Sie arbeiten überwiegend systemisch und beziehen dabei auch andere Aspekte des Lebens, wie das soziale Umfeld und familiäre Bedingungen, mit ein, um ein umfassendes Bild von den jungen Menschen zu erhalten und sie bestmöglich unterstützen zu können.

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„Also müssen wir uns jetzt mal vorstellen, was da das Klientel ist, muss das dementsprechend auch irgendwie empfangen werden. Und wenn man das nicht kann, dann führt das Gespräch auch zu nichts und ins Leere und es ist relativ schnell vorbei … natürlich muss man hier empathisch sein … das sind so die Skills der Beratungsgeschichten … wir sind schon sehr systemisch orientiert hier“ (I3, Z. 2102 f.).

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„Genau, Beziehung, Empathie. Und das sind die, die die Hauptpunkte würde ich nennen … aus eigener Erfahrung, nehmen wir auch einiges mit“ (I2, Z. 1089 f.).

 

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Parteiisch für den Klienten – den jungen Menschen eine Stimme geben

Wichtig ist den Fachkräften in ihrer Arbeit, dass sie gegenüber Institutionen wie dem Jobcenter, Jugendamt, Arbeitsagentur etc. für die jungen Menschen in prekären Lebenssituationen einstehen. Mit Parteilichkeit ist gemeint, an der Seite der jungen Menschen zu stehen und sie dabei zu unterstützen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Häufig erleben Fachkräfte hierbei eine Diskrepanz bei dem Versuch, einen Mittelweg zwischen den Anforderungen der Behörden und den Bedürfnissen der jungen Menschen in prekären Lebenslagen zu finden. Die Fachkräfte sind dabei politisch nicht involviert und versuchen die jungen Menschen zur Selbstständigkeit zu ermutigen.

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„Lebensweltorientiert, niederschwellig … empathisch, offen, unparteiisch, ah ne unparteilich, aber nicht unparteiisch. Sondern bei parteiisch dann auf der Seite des Klienten. Aber nicht an eine Partei oder Konfession gebunden“ (I1, Z. 2067 f.).

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„Wir beschreiben es auch als parteilich, tatsächlich. Also zwar nicht im Sinne von wir machen alles, was jemand möchte, aber wenn es jetzt nicht kontraproduktiv zu irgendwas anderem ist. Also wenn jetzt jemand sagt „Ruf mal für mich da und da an“ ich mache jetzt nicht alles, was die sagen. Aber wenn es ein legitimes Anliegen ist, dann behandeln wir das auch parteilich im Sinne der Interessen der Jugendlichen sozusagen … grundsätzlich die Haltung ist schon, dass wir das Anliegen der Person ernst nehmen und auch für das Anliegen einstehen oder uns bemühen, das mit umzusetzen“ (I3, Z. 2102 f.)

 

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Wertschätzung

In ihrer Arbeit legen die Fachkräften mehr Wert auf eine verständnisvolle und bestärkende Haltung gegenüber den jungen Menschen, mit denen sie arbeiten, als darauf, das Konzept strikt durchzusetzen.

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„Also ich glaube, wir haben uns schon auf Sachen geeinigt wie wertschätzendes Verhalten gegenüber den Jugendlichen oder eine wertschätzende Art“ (I3, Z. 2102 f.) 

 

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Theorie des guten Grundes

Zu der wertschätzenden Arbeit mit den jungen Menschen gehört auch das Verständnis beziehungsweise die Annahme, dass es einen guten Grund geben könnte. Wenn eine Teilnehmerin in dem Moment nicht anrufen möchte, liegt es vielleicht nicht daran, dass sie keine Lust hat, sondern weil sie möglicherweise einen wichtigen Grund dafür hat. Dies zu akzeptieren, gehört zu den Herausforderungen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit und verstärkt die Wertschätzende Haltung der Fachkräfte den jungen Menschen gegenüber.

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„Es stehen viele Dinge drin, das weiß ich nicht auswendig, aber Wertschätzung. Es gibt die Theorie des guten Grundes, danach arbeite ich auch. Also jedes Verhalten hat einen guten Grund, warum das so ist, warum eine Person gerade nicht sprechen will, das hat einen guten Grund. Also alles hat erstmal einen Grund und das ist okay das schließt auch mit der Wertschätzung zusammen“ (I6, Z. 3133 f.).

 

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Akzeptierender Ansatz in der Aufsuchenden Arbeit

Ein weiterer Ansatz, der die Haltung der Wertschätzung und die Theorie des guten Grundes ergänzt, ist der akzeptierende Ansatz. Dieser impliziert, dass die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit den Teilnehmenden Rückmeldungen geben, wenn sie eine Verhaltensweise oder Handlung nicht in Ordnung finden, ohne dabei unfreundliche oder genervt zu reagieren. Dieser Ansatz erfordert eine hohe Frustrationstoleranz von Seiten der Fachkräfte. Sie verstehen das Verhalten der jungen Menschen, müssen jedoch nicht unbedingt damit einverstanden sein und zeigen auch die Konsequenzen ihres Handelns auf. Durch seine empathische und geduldige Herangehensweise stärkt dieser Ansatz die Beziehung zwischen Fachkräften und den jungen Menschen.

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„Der akzeptierende Ansatz ja irgendwie auch … dass ich das nicht okay finde, dass du dich jetzt voll ballerst morgen schon, oder keine Ahnung, aber wenn du meinst, das muss so sein, dann ist das so“ (I6, Z. 3157 f.).

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So, das ist das Oberste und ich kann verstehen, aber ich muss nicht einverstanden sein. Also das geht manchmal bei, ähm politischer Gesinnung so, also ich habe mal einen Teilnehmer gehabt, der hat eine ganz extrem andere Meinung politisch gehabt als ich und da mich auch persönlich zurückzunehmen und trotzdem mit dieser Person wertschätzend arbeiten zu können und an den Themen arbeiten zu können … Ich muss nicht alles gut finden, was mein Teilnehmer macht. Ich muss nicht mit jeder Entscheidung einverstanden sein, aber ich verstehe das“ (I6, Z. 3133 f.).

 

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Empowerment der Zielgruppe

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit möchten die jungen Menschen dazu ermutigen, ihre Handlungsoptionen zu erweitern. Diese ermächtigende Herangehensweise wird als ein Grundsatz der Aufsuchenden Arbeit beschrieben.

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„… so empowernd … Diese Handlungsoptionen-Erweiterung, das würde ich auch als einen Grundsatz so von der Art der Arbeit beschreiben“ (I3, Z. 2167 f.).

 

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Individuelle Unterstützung: Die Stärken der Eins-zu-eins-Arbeit in der Aufsuchenden JSA

Als großen Vorteil benennen die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit die Möglichkeit, in einer Eins-zu-eins-Situation intensive Beziehungsarbeit mit den jungen Menschen leisten zu können. Dabei ist alles möglich, vom Clearing-Gespräch bis hin zur individuellen Unterstützung. Dadurch kann eine große Bandbreite an jungen Menschen angesprochen werden, da das Angebot individuell angepasst werden kann.

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… Bandbreite ansprechen zu können, auch wenn es klar ist, dass es nicht alle abholen kann. Aber durch diese einzelne Eins-zu-eins-Arbeit kann man schon, glaube ich, eine große Bandbreite erreichen“ (I3, Z. 2174 f.).

 

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Der Stärkenorientierte Ansatz in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Für die Fachkräfte spielt der Stärkenorientierte Ansatz, der sich an den Ressourcen der jungen Menschen orientiert, in ihrer Arbeit eine zentrale Rolle. Insbesondere im Aufbau der Beziehung zu den jungen Menschen, halten die Fachkräften es für sinnvoll, vorhandene Ressourcen zu identifizieren und zu stärken. Dadurch können bestehende Schwächen ausgeglichen werden. Gemeinsam mit den jungen Menschen entwickeln die Fachkräfte Strategien, die auf deren Stärken basieren und so Erfolgserlebnisse schaffen. Dies fördert das Selbstbewusstsein der jungen Menschen in ihre eigenen Fähigkeiten, stärkt die Selbstwirksamkeit und hilft, eine Defizitorientierung abzubauen. Hierzu gehört auch das Einüben von Verantwortungsübernahme im Alltag der jungen Menschen, wie zum Beispiel das eigenständige Erledigen von Ämtergängen.

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„Also Stärkenorientierter Ansatz … ist ein zentraler Punkt … dass wir nicht auf die Defizite gucken, die ein Mensch hat, wo er gescheitert ist, wo er nicht weitergekommen ist, sondern das, was er in der Situation wie jetzt, wenn er zu uns kommt, vielleicht noch hat, das rauszukriegen.  Und da ist natürlich … so ein Angebot … wo man einfach sich zeigen kann, was man kann, wo man nicht sofort damit konfrontiert wird „Du bist in der Schule schlecht, du schreibst schlechte Noten, also machen wir jetzt Nachhilfe“ oder so. Sondern wo man noch mal anders an einen Menschen herantritt und ihm erst mal wieder ein bisschen mehr Selbstwert, Empathie und auch Zugewandtheit möglich zu machen. Und daraus vielleicht auch wieder so ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln, dass ich doch was kann. Oder vielleicht ist irgendwas mal da gewesen, was dann verschüttet war, was man wieder rausbuddelt oder wo man vielleicht auch mal aus Interesse mal was Neues probieren möchte, dass man solche Möglichkeiten schafft. Das ist dieser Stärkenorientierte Ansatz und der ist … auch in der Fallarbeit immer wichtig, dass man guckt, was bringt er denn noch mit, selbst in seiner oder ihrer schwierigen Lebenssituation. Was ist an Ressourcen noch da?“ (I4, Z. 1594 f.).

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„Selbstwirksamkeit eintrainieren. Ja, das sind so die Haupt Grundsätze, glaube ich, nach denen wir arbeiten“ (I6, Z. 3196 f.).

 

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Beharrlichkeit und Geduld in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit: Mehrfache Chancen und kontinuierliches Engagement

Ein wichtiger Aspekt in der Arbeit mit Menschen in prekären Lebenssituationen ist die Beharrlichkeit und Geduld den jungen Menschen immer wieder Angebote zu unterbreiten und ihnen eine zweite, fünfte, zehnte Chance zu geben. Rückfälligkeiten oder das Nichteinhalten von Vereinbarungen führen nicht dazu, dass sie von der Unterstützung durch die Fachkräfte ausgeschlossen werden. Stattdessen gehen die Fachkräfte oft aufsuchend vor, besuchen die jungen Menschen persönlich, hinterlassen Nachrichten, um den Kontakt aufrechtzuerhalten und kontinuierlich neue Beziehungs-Angebote zu machen.

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„Naja, also im Konzept jetzt nicht. Aber es ist so dieses, ja das Dranbleiben so dieses wichtige. Also das auch mal, wenn jemand sagt, „Man, habe ich schon gar keinen Bock!“ und am nächsten Tag ruft er an und dann sage ich nicht „Nee, du hast doch gestern gesagt, du hast keinen Bock, dann ist es vorbei“. Sondern dieses Dranbleiben oder auch so dieses wirklich auch so dieses Hingehen. Also das ist dann vielleicht auch so dieser pädagogische Ansatz, dass man nicht von seinem Büro aus einen Brief verschickt und sagt, „Wenn er sich meldet, meldet er sich, wenn er sich nicht meldet, dann meldet er sich nicht!“ (I5, Z. 1300 f.).

 

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Situatives Handeln und Intuition der Fachkräfte

Die Fachkräfte arbeiten mit den jungen Menschen nicht immer nach einem festen Muster oder Prinzip, sondern vertrauen auf ihre Intuition und handeln situativ, je nach individuellen Bedürfnissen des Einzelnen. Dabei stützen sie sich auf ihre Erfahrung, sowie auf Theorien und Konzepte, die sie im Studium, in Fortbildungen und durch ihr Ausbildungskonzept erlernt haben. Anfangs orientieren sich die Fachkräfte möglicherweise stärker an diesen Konzepten, doch im Laufe der Zeit wird dieses Wissen automatisch in ihre Arbeit integriert, da sie es kontinuierlich anwenden.

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„. Also das sind im Prinzip Sachen, die macht man intuitiv“ (I6, Z. 3169).

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„… das sind verschiedene Theorien, sowohl aus unserem Konzept als auch aus dem Studium und Fortbildung und so … Zu Beginn der Ausbildung oder zu Beginn der Arbeit hat man vielleicht an dieses Beratungskonzept gedacht und an jenes. Aber das läuft jetzt einfach automatisch, weil man das längere Zeit macht“ (I6, Z. 3164 f.).

 

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Lebensweltorientierung in der Arbeit mit jungen Menschen in prekären Lebenssituationen

Zu den pädagogischen Grundsätzen gehört für die Fachkräfte ebenfalls, die jungen Menschen da abzuholen, wo diese sich befinden, nämlich in ihrem Sozialraum. Die Fachkräfte setzen sich intensiv mit der Lebenswelt der jungen Menschen auseinander und gestalten passende, niedrigschwellige, offene Angebote, die ohne eventuelle Hürden in Anspruch genommen werden können. Hierfür gibt es in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verschiedene Ansätze. Im Mittelpunkt steht dabei, die jungen Menschen als Experten ihrer eigenen Lebenswelt zu betrachten und sie dazu befähigen auch Aufträge und Rückmeldungen an die Fachkräfte zu geben. So wird eine Umgebung geschaffen, in der die jungen Menschen aktiv an der Gestaltung der Unterstützungsangebote beteiligt werden und ihre Perspektiven und Bedürfnisse ernst genommen werden.

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„Wir müssen die da abholen, wo die sind“ (I1, Z. 2102 f.).

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„Wenn ich mich nicht damit beschäftige, in welcher Lebenswelt mein Klientel sich aufhält oder was das für das Klientel auch bedeutet, wie kann ich denn dann ein passendes, funktionierendes und gelingendes Angebot machen, das niederschwellig genug ist und offen genug ist und so wenig wie möglich ist eh schwierig... aber ebenso sich im Klaren zu sein, was könnte eine Hürde sein, um ein Angebot in Anspruch zu nehmen“ (I1, Z. 2105 f.).

 

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Arbeiten auf Augenhöhe in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Ein weiterer pädagogischer Grundsatz ist das Arbeiten mit den jungen Menschen in prekären Lebenssituationen auf Augenhöhe. Die Fachkräfte vermitteln ihnen nicht, dass sie etwas Besseres sind, und dies zeigen sie auch durch ihre Fragen und die Art der Interaktion. Vielmehr geht es darum, eine wertschätzende und authentische Umgebung zu schaffen, in der auch die Fachkräfte Schwächen zugeben können. Dadurch wird das Vertrauen zu den Teilnehmenden gestärkt, da diese merken, dass ihr Gegenüber auch nur ein Mensch ist. Die Fachkräfte vermitteln damit, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen und diese einzugestehen. So befinden sie sich auf Augenhöhe mit den jungen Menschen und fördern ein offenes und ehrliches Miteinander.

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„Und es gibt auch Tage, wo ich meinem Teilnehmer sag „Boah, du sorry, ich bin heute irgendwie nicht auf der Höhe, ich bin heute nicht ganz fit. Kannst du mir noch mal helfen, was wollten wir noch mal machen?“. Also authentisch sein, so, und dann nicht, dass ich die ganze Zeit der perfekte Berater bin, sondern ich verhaspelt mich, ich stolpere auch mal und ich vergesse auch Sachen und das ist menschlich. Und ich glaube, das finden ganz viele Teilnehmer sehr sympathisch, wenn wir da auch alle auf einer Ebene sind … also Augenhöhe, finde ich hier ganz wichtig, dass wir hier nicht die Tollen sind.“ (I6, Z. 3254 f.).

 

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Professionelle Distanz: Die Balance zwischen Nähe und Grenzen in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Ergänzend zur Arbeit auf Augenhöhe ist es den Fachkräften wichtig, auch eigene Grenzen setzen zu können und diese zu verbalisieren, wenn sie von den jungen Menschen überschritten werden. Auf Augenhöhe bedeutet dabei nicht, ohne Grenzen, jedoch mit gegenseitigem Respekt und dem Mut zu sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. 

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„Also eine Person darf mich auch duzen und wenn mich eine Person fragt, wie alt ich zum Beispiel bin, dann sage ich auch die Antwort, also das ist ja auch nur fair. Ich hör so viel über die Lebensgeschichte und dann muss ich auch ein paar Infos von mir preisgeben … Augenhöhe ist das für mich … Wir sind ja nix besseres, nur weil wir hier arbeiten und die haben vielleicht mehr Probleme … da muss man dann wieder gucken, das ist die Abgrenzung auch von Privatperson und ich als Arbeitsperson … auch das kann man thematisieren, dann kann man sagen, „nö, das möchte ich nicht“ so, sei mir nicht böse, aber … Professionelle Distanz … Immer so die Balance zwischen Abstand und Nähe. Und ich bin angestellt, schätze die wert, ich baue eine Beziehung auf, aber ich muss auch eine klare Grenze setzen, wenn die überschritten wird. Das ist auch sozialarbeiterisch … Augenhöhe heißt ja nicht grenzenlos“ (I6, Z. 3322 f.).

 

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Freiwilligkeit der Teilnahme und Akzeptanz der Fachkräfte

Ein weiterer wichtiger pädagogischer Grundsatz in der Arbeit mit jungen Menschen in prekären Lebenssituationen ist die Anerkennung, dass nicht jeder junge Mensch, jeder Jugendliche durch das jeweilige Angebot erreicht werden kann. Dazu gehört manchmal auch das persönliche Angebot, das die Fachkräfte den jungen Menschen machen. Wichtig ist es hierbei, die Ablehnung der Arbeit sowie Misserfolge nicht persönlich zu nehmen und respektvoll auseinanderzugehen. Ein junger Mensch sollte dem Angebot nicht fernbleiben, weil eine Fachkraft ihn angefahren hat. Die Angebote sind größtenteils freiwillig, mit Ausnahmen von Projekten mit Jobcenterbezug, bei denen finanzielle Kürzungen als Konsequenz folgen können. Die Grundeinstellung der Fachkräfte spielt eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, immer wieder nachzufragen und Angebote zu machen, aber auch zu akzeptieren, dass es ein Erfolg sein kann, wenn sich jemand nicht mehr meldet – im Sinne von `wir haben uns überflüssig gemacht`. Beharrlichkeit und die Bereitschaft, trotz möglicher Ablehnung am nächsten Tag erneut auf die jungen Menschen zuzugehen, sind essenziell, ebenso die Akzeptanz, dass nicht jeder Erfolg oder Misserfolg direkt auf die Fachkräfte zurückzuführen ist.

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„Also aus meiner Wahrnehmung, würde ich sagen ja, dass das entscheidend ist. Also so, dass das ein Teil davon ist, dass man da rankommt und dass man Kontakt herstellen kann … Ne, also da gehört auch dazu, dass man mal einen Misserfolg hat und dass man aber trotzdem von der Grundeinstellung weiterhin sagt „Okay, das ist aber mein oder das ist unser Weg … dass wir dann auch am nächsten Tag noch mal da sind“. Und auch wenn uns einer fürchterlich auf den Nerv geht, hake ich doch noch mal nach „Sag mal, wie sieht es denn aus, vielleicht heute bessere Laune oder kann man nochmal was machen?“. Oder manchmal ist es auch so, man muss auch mal akzeptieren, manchmal wird es halt abgelehnt. Und auch das ist okay … dann liegt es nicht an mir, als Person, sondern dann ist es so. Also wie auch nicht jeder Erfolg jetzt nicht nur meine Leistung ist, so ist auch nicht der Misserfolg dann immer auf einen bezogen … Also weil, wie gesagt, das sind natürlich auch Leute da, wo du jetzt nicht jeden danach in Arbeit und Ausbildung hast“ (I5, Z. 1979 f.)

 

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Vielfältigkeit und Authentizität der Fachkräfte in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Fachkräfte in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit spiegeln viele Altersgruppen wider. Von BerufsanfängerInnen mit wenig Praxiserfahrung bis hin zu erfahrenen Sozialarbeitenden ist alles vertreten. Mehrere Aspekte sind hierbei wichtig. Einerseits kann es schwierig sein, wenn Fachkräfte aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu anderen gesellschaftlichen Schichten oder ihres Alters eine ´gehobene´ Sprache sprechen, da dies der Lebensweltorientierung widerspricht und Verständnisprobleme nach sich ziehen kann. Anderseits spielen die Kommunikation auf Augenhöhe und eine wertschätzende, einladende Haltung eine große Rolle. Die Fachkräfte haben in ihrer Arbeit jedoch auch die Erfahrung gemacht, dass es für junge Menschen von Vorteil sein kann, eine ältere Ansprechperson als Gegenüber zu haben, die eine Mentor-Rolle einnehmen kann. Diese bieten den jungen Menschen eine alternative Projektionsfläche und können somit auch negative Beziehungserfahrungen korrigieren. Von den Fachkräften wird befürwortet, dass ein heterogenes Team von Mitarbeitenden sinnvoll ist, da auch die jungen Menschen sehr unterschiedlich sind. Wichtig ist, dass die Fachkräfte authentisch sind und die Chemie zwischen Fachkräften und Jugendlichen stimmt, um eine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen.

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„… bitte jeder mag sich selber damit, auch immer wieder selber hinterfragen … habe ich noch den Zugang zu dem jüngeren Publikum?“ (I1, Z. 2118 f.).

 

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Gegen Vorurteile und Ausgrenzung: Herausforderung in der Aufsuchenden JSA

In der Arbeit mit jungen Menschen in prekären Lebenssituationen legen die Fachkräfte großen Wert darauf, gesellschaftliche, institutionelle und politische Ausgrenzung zu verhindern oder ihr entgegenzuwirken. Hierbei kämpfen sie gegen institutionelle Diskriminierung oder ungleiche Behandlung. Dabei begegnen ihnen immer wieder Vorurteile wie „In Deutschland muss niemand auf der Straße leben“ oder „Die jungen Leute sind faul und wollen nur chillen“. Teilweise fühlen sie sich bei dieser Konfrontation machtlos, da sie trotz ihres Engagements an bürokratische Grenzen stoßen und die gesellschaftlichen Vorurteile tief verwurzelt sind. Die Reflexion der eigenen Arbeit spielt hierbei eine große Rolle, um diesen Vorurteilen entgegenzuwirken und gegebenenfalls nachzusteuern. Auch die Reflexion der eigenen Vorurteile ein wichtiger Bestandteil der diskriminierungssensiblen Arbeit der Fachkräfte. Zudem ist es entscheidend, sich bewusst zu machen, dass angesprochene Themen auf jungen Menschen in besonderen Lebenslagen retraumatisierend wirken können.

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„Dann haben wir uns Diskriminierungssensibel auf die Fahnen geschrieben, sozusagen mit dem Wissen, dass es vermutlich nicht immer gelingt, das 100 % auszuschließen. Aber natürlich sensibel mit allen möglichen Merkmalen von Diskriminierung umzugehen … Von unserer Seite aus, wie wir den Jugendlichen begegnen, auf Schichtzugehörigkeit, auf Bildungshintergrund, kulturelle, ethnische, Geschlecht, alles Mögliche …. Offen zu sein, aber auch die eigenen Fettnäpfchen ein bisschen zu reflektieren und zu gucken, was spricht man an, was nicht?“ (I3, Z. 2119 f.).

 

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Inklusion in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit: Herausforderungen und Verantwortung

Inklusion ist in allen Einrichtungen der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ein wichtiges Thema, wobei die Verantwortung für die Umsetzung oft bei den Mitarbeitenden liegt. Dazu gehören beispielsweise Toilettenschilder, die alle Menschen ansprechen, einschließlich queerer Personen. Auch die Barrierefreiheit spielt eine wichtige Rolle, stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn junge Menschen große Einschränkungen haben. In solchen Fällen können die Fachkräfte jedoch an andere spezialisierte Einrichtungen weitervermitteln. Das Bewusstsein und die Selbstverständlichkeit für das Thema sind jedoch auch unter den Fachkräften nicht immer gegeben und erfordern Reflexion und Schulung. Inklusives Arbeiten innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit bedeutet auch, eventuelle Hürden aus dem Weg zu räumen und die jungen Menschen dabei zu unterstützen, vorhandenen Hindernisse zu überwinden.

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„Und halt ja inklusiv möglichst versuchen für ganz verschiedene Leute auch ein Angebot machen zu können.“ (I3, Z. 2167 f.).

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„Und eben so wenig wie möglich Hürden zu schaffen oder zu unterstützen, mit Menschen zu unterstützen, die Hürden, die es woanders gibt, irgendwie zu überwinden“ (I1, Z. 2105 f.).

 

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Umgang mit Fragen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Bezüglich des Umgangs mit Fragen gab es unter den Fachkräften der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit unterschiedliche Meinungen. Einerseits kann die Selbstwirksamkeit der jungen Menschen durch gezieltes Fragestellen gestärkt werden, wodurch eine zukunftsgerichtete Selbstwirksamkeit initiiert werden kann, so dass die jungen Menschen Aufgaben in Zukunft selbstständig erledigen können. Andererseits können zu viele oder unpassende Fragen retraumatisierend wirken oder den Charakter des Aushorchens aufweisen. In der Online-Beratung ist es beispielsweise wichtig, nur die Fragen zu beantworten, die tatsächlich gestellt wurden. Daher muss das Stellen von Fragen immer situativ angepasst und auf die jeweilige Person abgestimmt erfolgen. Gleichzeitig bedeutet das Stellen von Fragen immer eine Form der Interaktion mit den jungen Menschen, die ihrerseits Fragen zurückstellen können. Dies kann die Beziehung zueinander stärken und Vertrauen aufbauen.

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„Viele Fragen stellen … wenig Eigenmeinung einbringen, viel Fragen stellen, immer. Das ist auch so ein Ding, also ich merke, wenn ich zu viel, zu viele Ideen von mir selber raus sprudle, dann kommt von meinem Gegenüber nicht viel, weil dann schnappt er sich ja nur meine Ideen und muss gar nichts leisten, bzw. muss ja selbst gar nicht sich irgendwie anstrengen oder ins Denken kommen. Und deswegen ist es gut Fragen zu stellen und damit die Person selber drauf kommt … Die Fragen so stellen, dass der auf die Antworten selber drauf kommt … Genau, selber drauf kommen dieses ´Hilfe zur Selbsthilfe´, also wie, wie kann ich der Person helfen, dass sie sich demnächst selber helfen kann? Das ist auch ein Riesending“ (I6, Z. 3182 f.).

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„Wir, wir versuchen, Beziehungen aufzubauen. In einer Beziehung ist eine Interaktion, das heißt, ich stelle Fragen und dann muss ich damit rechnen, dass er mich vielleicht auch was Konkretes fragt“ (I6, Z. 3248 f.).

8. Institutionelle Rahmenbedingungen

Aufsuchender Jugendsozialarbeit

Förderungen und Förderbedingungen Aufsuchender Jugendsozialarbeit

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Fördermittel akquirieren

In der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit wird zunächst von den Fachkräften in Zusammenarbeit mit den Führungsebenen eine Bedarf festgestellt. In einem zweiten Schritt steht das Akquirieren von Fördermitteln für soziale Projekte. Hierbei ist häufig unklar, wie kommen die Einrichtungen an Fördermittel, welche Ausschreibungen gibt es aktuell in diesem Bereich, eventuell werden Gelder aus einem anderen Bereich miteinbezogen. Wichtig hierbei ist, wenn es einen Bedarf gibt, dann wird auch geschaut, dass dieser erfüllt wird.

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„Ja, das richtet sich ganz stark nach dem Bedarf. Also stellen wir einen Bedarf fest, dann gucken wir, was wir machen können und gucken dann auch, wo wir eventuell Geld dafür bekommen. Denn wenn ein Bedarf da ist, was ich, da wiederhole ich mich, dann kann man nur ein personelles Angebot dagegenstellen und das kostet Geld. So und deshalb ist das auch mit den Projekten so … und das habe ich auch mit unseren Leuten bespreche ich das dann auch immer. Also wir machen nicht ein Projekt, nur weil wir jemanden mit einem unbefristeten Dienstvertrag weiterhin beschäftigen müssen, also nur, wenn es tatsächlich einen Bedarf gibt“ (I2, Z. 2445 f.).

 

Die Bedarfe werden ggf. erweitert und Ressourcen und Kraft da eingesetzt, wo Bedarfe bei den jungen Menschen vorhanden sind.

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„Das ist dann aber tatsächlich auch immer so lokal und dann gucken wir, schaffen wir das mit den, schaffen die drei Leute das oder müssen wir tatsächlich noch mal ein Angebot stricken, wo wir die denn also andocken, nochmal“ (I2, Z. 2489 f.).

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Zusammenarbeit im Team

Zu den institutionellen Rahmenbedingungen gehört für die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit ein regelmäßiger gemeinsamer Austausch und die Zusammenarbeit im Team. Dies dient unter anderem dem Informationsaustausch über die Aufgaben und Bedürfnisse der teilnehmenden jungen Menschen. Obwohl die Jugendlichen und jungen Erwachsenen meist einzelnen Fachkräften zugeordnet sind, trägt das gesamte Team Verantwortung und muss beispielsweise bei Abwesenheit wie Urlaub einspringen. Daher ist ein kontinuierlicher Austausch über die Bedarfe und Entwicklungen unerlässlich.

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„Also wir treffen uns, also auch regelmäßig im Laufe der Woche. Also so eine Besprechungsrunde, Teambesprechungsrunde, falls irgendwas besprochen sein soll, dann klar. Also, wir tauschen die Info aus, dass ich weiß, was meine Kollegin macht, was sie vorhat … und klar, und wir unterstützen uns immer gegenseitig und besprechen alle Themen … also unsere Zusammenarbeit funktioniert auch ganz gut“ (I2, Z. 1101 f.).

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Finanzierung durch das Jugendamt

Viele Einrichtungen der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit werden über das Jugendamt finanziert. Dabei wird ein Leistungsvertag zwischen dem zuständigen Jugendamt und der Einrichtung geschlossen, der die Arbeit beschriebt und die Aufgaben konkretisiert. Die Jugendhilfe finanziert die Arbeit mit jungen Menschen bis 27 Jahren. Oft wenden sich jedoch auch ältere Menschen an die Aufsuchende Fachkräfte. Diese bemühen sich, sie im Sinne der Beziehungspflege adäquat weiterzuvermitteln. Dies erweist sich jedoch häufig als schwierig, da es für diese Zielgruppe nur wenige und teilweise keine Angebote gibt.

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„… Wir haben ja einen Leistungsvertrag mit dem Jugendamt, wo die beschreiben, was wir machen sollen . . . Da ist es halt sehr ausdrücklich Aufsuchende Arbeit. Da geht es darum, dass wir Kontakt zu Jugendlichen herstellen und rausfinden was sind Bedarfe, welche Problemstellungen gibt es? Uns anbieten und Jugendliche dort aufsuchen, wo sie sich aufhalten, sozusagen als Passus. Also diese ganze Idee von Aufsuchender Arbeit, also wirklich mit einem wachen Auge oder konzeptionell durch die Gegend zu gehen und wirklich auch das aktiv zu suchen: Wo könnten Menschen unversorgt sein und wo können wir auch mit denen arbeiten?“ (I3, Z. 560 f.).

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„Das Streetwork ist finanziert im Moment über den Kreis und über die Stadt. Zum Verständnis, beide haben ein eigenes Jugendamt. Und insofern haben wir häufig, weil wir über die Jugendämter häufig finanziert sind, dann einen Finanzierungsanteil in der Stadt und einen Finanzierungsanteil im Kreis …. Und dann ist es so, dass das allerdings nicht so ist, dass 50/50 ist von der Finanzierung her, sondern die Stadt zahlt im Moment eine halbe Stelle und der Kreis zahlt im Moment eine Stelle. Es gibt 1,5 Stellen zusammen, die wir im Moment finanziert haben. Das war in der Vergangenheit anders. Wir haben auch schon Finanzierungen über Landesprogramme gehabt, „Zusammen im Quartier“ zum Beispiel war das letzte. Dann müssen wir mal sehen, ob da wieder was Neues kommt – da soll wieder was Neues kommen, dann könnten wir es vielleicht nochmal ausweiten. Aber das ist erst mal der Status Quo: 50 % Beschäftigungsumfang Stadt und 100 % Beschäftigungsumfang Kreis“ (I4, Z. 2744 f.).

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„Also wir können sozusagen mit Personen bis 27 Jahre arbeiten, weil wir ja über die Jugendhilfe finanziert sind“ (I3, Z. 356 f.).

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„Also in einem Stadtteil wo ich unterwegs bin, da, von da kriegen wir so eine Förderung, also für unser Projekt … Streetwork und von da kriegen wir auch Unterstützung, Fördermittel. Aber sonst von der Seite des Jugendamtes kriegen wir ne..“ (I2, Z. 856 f.).

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„Gerade hier P12 …, was ja so ein bisschen unsere Haupt.. also was heißt Hauptstelle, aber wir sind hier relativ häufig tatsächlich, weil wir auch ein bisschen den Auftrag haben hier viel zu sein vom Jugendamt “ (I3, Z. 441 f.).

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„Aber wir sind halt so der Teil vom Jugendamt, der dieses flexibler, mobile Aufsuchende machen sollen oder macht“ (I3, Z. 872 f.).

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„Also die Finanzierung ist nach wie vor über diesen 13.1er als Paragraphen . . . durch diese Jugendberufsagenturen in Berlin kriegen die Bezirke Mittel für Coaching und aufsuchende Arbeit vom Senat, von der Senatsverwaltung sozusagen und können dann halt Träger beauftragen, das zu machen. Und das ist auch ein Teil unseres Etats, diese Coachingmittel, dann halt ein Teil des Bezirks. Aber es wird alles als 13.1 [SGB VIII] deklariert . . . Das ist halt ein Teil der Stellen wird darüber finanziert und wir haben da noch einen kleinen Anteil, den wir über . . .  die Jugendberufsagentur, Sozialintegrative Leistungen nennen wir das . . . alles, was eigentlich ein bisschen über Beruf hinausgeht . . .  erst Clearing und Weitervermittlung in weiterführende Hilfsangebote sozusagen. Da haben wir auch einen kleinen Teil drüber“ (I3, Z. 881 f.)

 

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Spendenfinanzierung und Akquise

Innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit gibt es neben durch das Jobcenter und Jugendamt finanzierten Projekten, bzw. Einrichtungen, auch solche die über Spenden finanziert werden. Die wesentlichen Unterschiede liegen dabei in der Akquise der Gelder und in der Darstellung der SpenderInnen. Die spendenfinanzierten Projekte sind auf Unterstützung von großen Unternehmen sowie kleinen Spendern angewiesen und müssen ihre Arbeit teilweise vor diesen rechtfertigen.

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„…nach wie vor sind wir hauptsächlich durch Spenden finanziert, bis auf den Teilbereich Projekte“ (I1, Z. 1013 f.).

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„...wenn es irgendwelche Vereine, Einrichtungen, Stiftungen, Firmen sind, die brauchen ja irgendwie, will ja jeder gerne zeigen, dass er was gespendet hat“ (I1, Z. 1411 f.).

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„… In der sozialen Arbeit schwierig, aber wir gucken gerade, was für Zahlen könnten denn da spannend sein für potenzielle Spender, aber eben auch für potenzielle öffentliche Hand, Förderung … Uns einfach zu rechtfertigen, dass es uns gibt“ (I1, Z. 1771 f.).

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„… Bei dem Volumen sind das auch große Unternehmen, die da spenden. Aber auch die Summe der kleinen Spenden hilft uns oft. Der Spendenmarkt ist auch furchtbar schwierig“ (I1, Z. 1020 f.).

 

„… Wir haben jetzt eine Größenordnung, wo wir, glaube ich, ein bisschen umdenken müssen. Und vielleicht auch ein bisschen umsortieren und dann gucken eben, ob wir nicht so Teilbereiche wie mal übers Jobcenter, mal übers vielleicht Sozialamt, vielleicht auch mal was vom Jugendamt oder einzelne Leistungen, Fachleistungsstunden auch“ (I1, Z. 1371 f.).

 

„...oder vielleicht sogar 24/7 wäre der Traum theoretisch. Aber davon sind wir weit davon entfernt, weil wir es so nicht stemmen können mit kein Geld und kein Personal logischerweise dann (I1, S. 197 f.).

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 „…weil wir finanziell nicht in der Lage sind, all die Ideen, die wir gerade haben, zu verwirklichen. Mit dem Geld durch Spenden finanziert, so wie es jetzt gerade ist“ (I1, Z. 1117 f.).

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Personalschlüssel in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die von den Fachkräften getroffenen Aussagen über den Personalschlüssel innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit und die Anzahl der betreuten jungen Menschen innerhalb der Projekte und Maßnahmen verdeutlichen, dass der Erfolg der Aufsuchenden Arbeit stark von den Mitarbeitenden abhängt und dass ihre individuellen Stärken als Ressource betrachtet werden. 

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Innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit gibt es keinen klar definierten Personalschlüssel, welcher für alle Angebote und Maßnahmen gleichermaßen gilt. Dieser ist immer abhängig von der Maßnahme, den personellen und materiellen Ressourcen, wie z. B. geeigneten Räumlichkeiten. Es existiert kein Personalschlüssel, der sowohl die notwendige Flexibilität für individuelle Hilfen ermöglicht als auch vor einer Überlastung bis hin zum Burnout schützt. Eine Mitarbeiterin der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit berichtet, dass sie innerhalb von 1,5 Jahren Beschäftigung bei einem Träger der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, 300 Klienten aufgenommen hat. Obwohl die Bedürfnisse der Klienten sehr unterschiedlich sind, verdeutlicht dies die enorme Belastung der Fachkräfte in diesem Bereich. Die Fachkräfte erleben in ihrem politischen Engagement für die Zielgruppe eine Diskrepanz zwischen politischen Aussagen und dem Handeln der Sozialpolitik. Häufig besteht eine Unklarheit darüber, was wie finanziert wird und warum Programme und Maßnahmen gestrichen werden. Hier besteht bei den Fachkräften der Wunsch nach einer besseren Zusammenarbeit und einer Transparenz im Handeln.

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„Wir haben keine Pro-Kopf Zahlen, wir haben keine, so und so viele Termine dürfen wir nur oder können wir nur anbieten. Oder wenn man zweimal zum Termin gekommen ist, dann kriegt man keinen mehr. So was gibt es bei uns nicht“ (I1, Z. 481 f.).

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„…ansonsten haben wir keine Pro-Kopf Zahlen“ (I1, Z. 1238 f.).

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„Also da gibt es so einen [Betreuungsschlüssel], im Moment sind es eins zu 27…“ (I5, Z. 1360 f.).

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„Ich glaube eins zu acht … Wir haben das ausgerechnet prozentual … es gibt aber keinen offiziellen [Personalschlüssel] …“ (I6, Z.3970 f.).

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„Wir sind sozusagen so ein Dreierteam, aber auch niemand ganz Vollzeit“ (I3, Z. 840 f.).

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„...oder vielleicht sogar 24/7 wäre der Traum theoretisch. Aber davon sind wir weit davon entfernt, weil wir es so nicht stemmen können mit kein Geld und kein Personal logischerweise dann“ (I1, S. 197 f.).

 

„Also ich glaube wir sind gut aufgestellt, bis auf den Personalschlüssel. Der ist halt für die Füße, muss man ja so sagen…“ (I4, Z. 2457 f.).

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„… haben wir keine feste Teilnehmerzahl. Was wir zugewiesen bekommen, nehmen wir auf. Und im Moment haben wir um die 100, wir hatten aber manchmal auch schon um die 70 … also es muss also geguckt werden im Jahresschnitt, wie viel ist es dann? Und dann wird es angepasst“ (I5, Z. 1818 f.).

 

„Das kann natürlich auch immer vorkommen, wenn man jetzt auch tolle Mitarbeiter hat, wenn das Geld dann nicht reicht, dann muss der Verein was dazuschießen . Aber im Moment geht das so ganz gut, weil wir jüngere und ältere Mitarbeitende haben. Und dann trifft man sich so in der Mitte und dann passt das“ (I4, Z. 2828 f.).

 

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9. Kompetenzen Mitarbeitende Aufsuchender

Jugendsozialarbeit

Qualifizierung und Kompetenzen Mitarbeitende

 

Erforderliche Fachkompetenzen der Fachkräfte

 

Abschluss eines Studiums der Sozialen Arbeit, bzw. Sozialpädagogik und Sozialarbeit

Für die praktische Aufsuchende Jugendsozialarbeit ist ein Studium Abschluss in der Sozialen Arbeit, Sozialarbeit, Sozialpädagogik oder einem verwandten Fachbereich wie Erziehungswissenschaften als unabdingbar vorausgesetzt. Die genauen Bezeichnungen können ja nach Bundesland variieren, aber ein akademischer Abschluss in einem relevanten Bereich wird auf jeden Fall vorausgesetzt.

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„Studium ist bei uns vorausgesetzt, auf jeden Fall irgendwie. Muss jetzt nicht zwingend Soziale Arbeit … es ist ja auch, manchmal heißt es in den Bundesländern unterschiedlich, Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Erziehungswissenschaften haben wir auch“ (I1, Z. 1558 f.).

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Nee, in dem Bereich müssen das schon Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sein“ (I6, Z. 4017 f.).

 

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Berufserfahrung innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Längere Berufserfahrung in der Aufsuchenden Arbeit oder ähnlichen Bereichen wie Beratung ist für die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit erforderlich. Insbesondere in Projekten, die vom Jobcenter finanziert werden, ist dies sogar Grundvoraussetzung für das Arbeiten innerhalb der Projekte.

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„Studium Soziale Arbeit mit zwei Jahren Berufserfahrung … Nein, man darf erst mit zwei Jahren Berufserfahrung ins Projekt … Das ist auch Grundvoraussetzung, dass hier jemand im Projekt gemeldet sein darf. Bei der Sozialagentur … Das ist so gesetzt. Der Auftraggeber möchte nämlich erfahrene Leute, die auch wissen, was sie tun und nicht zum Beispiel in ihrem Anerkennungsjahr hier arbeiten“ (I6, Z. 4017 f.).

 

„Alle eine pädagogische Ausbildung, Studium . . . es gab immer mal wieder auch Quereinsteiger, die dann vielleicht was ganz anderes studiert haben, aber schon viel Erfahrung haben in dem Bereich. Und gerade bei den Projekten … ist das, denke ich, sehr wichtig“ (I5, Z. 1795 f.).

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„Das ist bei uns nach wie vor auch noch Grundvoraussetzung, studierte SozialpädagogInnen, oder.. die Studiengänge sind ja ein bisschen unterschiedlich, aber es muss schon was in der Art sein“ (I1, Z. 204 f.).

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Viele der Mitarbeiter*innen haben auch systemische Ausbildungen noch als Berater*innen. Ähm, ja, das ist das A und O!“ (I3, Z. 2102 f.).

 

 

Fachliche Kompetenzen die zum Gelingen beitragen

 

Erfahrung und Expertise als Grundlage für eine erfolgreiche Unterstützung

Pädagogisches Fachpersonal mit nachweislicher Erfahrung und Expertise mit Zielgruppe und Aufgabenfeld der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit sind entscheidend für eine effektive Unterstützung. Diese Kenntnisse bilden die Basis für ein starkes Netzwerk in den jeweiligen Städten und Vierteln, mit dem die Fachkräfte die jungen Menschen gut begleiten können. Die Kombination aus Erfahrung und Wissen um die relevanten Anlaufstellen sind essentiell, um den jungen Menschen gezielt weiterhelfen zu können.

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„…, dass wir da mit Jugendlichen auch an der richtigen Stelle gut kommunizieren und auch durch die Erfahrung, die wir mittlerweile auch haben, Sachen auch ganz gut einschätzen können. Und das ist auch für uns, denke ich, ein Erfolg, dass wir schon seit so vielen Jahren auch so angenommen werden“ (I4, Z. 1078 f.).

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„Alle eine pädagogische Ausbildung, Studium … es gab immer mal wieder auch Quereinsteiger, die dann vielleicht was ganz anderes studiert haben, aber schon viel Erfahrung haben in dem Bereich. Und gerade bei den Projekten „ist das, denke ich, sehr wichtig. Ein gewisses Netzwerk schon, dass man sich im Hilfesystem … auskennt und dass man da gewisse Ansprechpartner kennt, und das ist, denke ich, wichtig. Also es ist sicher ein sehr interessantes Arbeitsfeld, auch für jemanden, der ganz neu anfängt. Aber da eben wichtig, dass dann auch jemand dabei ist, der schon so diese Grundregeln mit Jobcenter … und die Anlaufstellen im Netzwerk und so kennt“ (I5, Z. 1795 ff.).

 

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Beratungskompetenz – Durchführung von Beratungsgesprächen und Einsatz von Beratungs- und Interventionsmethoden

Die Beratung in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit spielt eine zentrale Rolle in der Begleitung und Unterstützung junger Menschen in prekären Lebenssituationen. Hierbei ist es für die Fachkräfte wichtig, einen Zugang zu den jungen Menschen zu haben und sie zu unterstützen, in dem sie beispielsweise Behördendeutsch eine verständliche Sprache übersetzen. Der Zugang muss von jedem Mitarbeitenden individuell gestaltet werden, daher sind diese für das Gelingen der Aufsuchenden Arbeit unabdingbar. 

 

„Das A und O würde ich sagen. Ja klar!“ … Naja, das sind ja die Experten, die hier die Arbeit machen im Prinzip. So und wenn die Beratungen nicht funktionieren, das ist das Einzige, was wir machen (lacht) also, wenn das nicht funktioniert … nein, nein, das ist, weiß ich gar nicht, was ist das für eine Frage (lacht)?“ (I1, Z. 1597 f.).

„Viele der Mitarbeiter*innen haben auch systemische Ausbildungen noch als Berater*innen“ 

(I1, Z. 1621 f.).

 

„Auf jeden Fall Berater Skills haben“ (I1, Z. 204).

 

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Fort- und Weiterbildungen als Gelingensfaktor

Fortbildungen und kontinuierliche Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte sind in der Arbeit mit jungen Menschen mit multiplen Problemlagen unerlässlich. Diese Schulungen erweitern die Kenntnisse über Problemlagen und Unterstützungsmöglichkeiten. Zudem halten sich viele Fachkräfte durch den Besuch von Fachtagungen und das Studium aktueller Fachliteratur eigenständig auf dem neusten Stand, um die Anschlussfähigkeit ihrer Arbeit zu gewährleisten.

„Alle Mitarbeiter*innen bei uns werden geschult zu sämtlichen gesundheitlich relevanten Themen, von Sexualität und Schwangerschaft bis hin zu psychischen Erkrankungen, hoch runter, alles irgendwie, Ernährung“ (I1, Z. 553 f.). 

„Dann machen wir häufig irgendwie Fortbildungen zusammen … Face to Face Fortbildungen gemeinsame“ (I1, Z. 1200 f.). 

„Rechtsfortbildung machen wir mindestens einmal im Jahr eine, weil da sich auch immer viel ändert…da haben wir jedes Jahr mindestens zwei große Themenblöcke, zu denen wir Veranstaltungen haben für alle Mitarbeiter*innen … Da gibt es eine Gesetzesänderung, jetzt größere Geschichte Bürgergeld statt Arbeitslosengeld II, was ändert sich daran, wir brauchen dringend noch mal irgendwie jemanden, der sich damit auskennt“ (I1, Z. 2172 f.). 

 

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Kollegiale Beratung als Gelingensfaktor

Das strukturierte Verfahren der kollegialen Beratung wird von den pädagogischen Fachkräften angewandt, um sich gegenseitig zu unterstützen und berufliche Herausforderungen und aktuelle Fragestellungen zu lösen. Diese Methode fördert den Austausch von Erfahrungen und Perspektiven und trägt wesentlich zur Entwicklung effektiver Lösungen bei.

 

„Kollegiale Beratung ist ein riesengroßes Thema“ (I1, Z. 2179 f.).

 

 

Soziale Kompetenzen die zum Gelingen beitragen

 

Kommunikationsfähigkeit – Empathie und Aktives Zuhören

Die Kommunikationsfähigkeit der pädagogischen Fachkräfte sowie ihre Fähigkeit zum aktiven Zuhören und empathischen Einfühlen in die Bedürfnisse der jungen Menschen tragen maßgeblich dazu bei, tragfähige Beziehungen aufzubauen. Diese Beziehungen bilden die Grundlage für eine effektive Unterstützung. 

„Das ist auch so eine Rückmeldung, die man ab und zu mal von jungen Menschen bekommt, dass sie sagen „Euch konnte ich halt was erzählen, was ich eigentlich noch nie oder ganz, ganz wenigen Menschen erzählt habe“. Und wenn man sich dann anguckt, dass man die vielleicht erst ein paar Wochen kennt, zeigt das ja, dass man da vielleicht in dem Moment den richtigen Knopf gedrückt hat“ (I4, Z. 1265 f.).

 

Offene Kommunikation auf Augenhöhe als Gelingensfaktor 

Die Fähigkeit der Fachkräfte, mit den jungen Menschen eine offene und direkte Kommunikation zu führen, ohne das Vertrauen und die Beziehung zu gefährden, ist ein wichtiger Aspekt der sozialen Kompetenz. Diese Offenheit ermöglicht es den jungen Menschen, ehrlich über ihre Schwierigkeiten und Sorgen zu sprechen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Die Fachkräfte kommunizieren mit den jungen Menschen effektiv auf Augenhöhe. Durch ihr Intuition und Erfahrung können sie die Bedürfnisse der jungen Menschen häufig gut einschätzen und an der richtigen Stelle angemessen reagieren, wodurch eine tragfähige und vertrauensvolle Beziehung entsteht.

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„... dann ist es natürlich auch nochmal leichter, demjenigen direkt was sagen zu können ... Dass der weiß, ´okay, auch wenn ich jetzt dem R. sagen muss, dass ich den Brief wieder nicht losgeschickt habe oder so, dann ist es nicht so, dass ich dann rausfliege, sondern dann gucken wir halt, wie können wir es denn nächstes Mal machen, dass der Brief dann rausgeht´"  (I5, Z. 2011 f.).

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„Aber ich glaube, wir haben alle eine gute Intuition, dass wir da mit Jugendlichen auch an der richtigen Stelle gut kommunizieren und auch durch die Erfahrung, die wir mittlerweile auch haben, Sachen auch ganz gut einschätzen können“ (I4, Z. 1078 f.).

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„… und ich glaube, wir haben eine gute Beobachtungsgabe wie wir in welchem Moment, welchen Knopf vielleicht drücken müssen. Eher einen konfrontativen oder einen sehr zugewandten empathischen … also wie kommt man gerade rüber? Kommt man da eher so als Schulter zum Anlehnen rüber oder als jemand, der eine Richtung vielleicht auch noch mal verändern möchte“ (I4, Z. 1265 f.).

 

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Aufbau vertrauensvoller Beziehungen als Gelingensfaktor

Die Fähigkeit der pädagogischen Fachkräfte, persönliche Bindungen und vertrauensvolle Beziehungen zu jungen Menschen in prekären Lebenssituationen aufzubauen, bildet die Grundlage für die Beziehungsarbeit in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Diese persönliche Ressource ist essenziell, da junge Menschen schnell erkennen, ob das Engagement der Fachkräfte authentisch ist. Sie ermöglicht eine ehrliche, teilweise auch konfrontative Kommunikation auf Augenhöhe mit der Zielgruppe, ohne dass diese befürchten müssen, im Stich gelassen zu werden. Die Kombination aus Fachwissen und menschlicher Empathie ermöglicht es den Fachkräften, Vertrauen zu gewinnen und nachhaltig mit den jungen Menschen zu arbeiten. Ohne diese Grundlage wäre eine vertrauensvolle und effektive Unterstützung nicht möglich. 

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„… wie gesagt, diese Sache, dass eben diese persönliche, diese personellen Ressourcen, die man einfach in der Beziehungsarbeit den jungen Menschen gegenüberstellt, das ist das A und O, na klar“ (I2, Z. 2528 f.).

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„Also die Jugendlichen merken glaube ich, sehr schnell, ob du da rumfährst, weil du damit dein Geld verdienst und weil du das musst und weil du ja da irgendwie ja auch dann diese Kontakte suchen sollst oder ob du das wirklich willst“ (I4, Z. 1265 f.).

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„Und das bietet halt die Chance, dass man eben mit dem, was man kann, Fachwissen, aber auch mit dem, was man vielleicht so vom Menschlichen mitbringt, vielleicht die eine oder andere Tür ein bisschen aufmachen kann“ (I4, Z. 1265 f.).

„Wenn man länger miteinander arbeitet und eine persönliche Ebene … gefunden hat, dann ist es natürlich auch nochmal leichter, demjenigen direkt was sagen zu können. Also mal „Ne, vor drei Monaten hätte ich es dir nicht so sagen können, aber es geht mir gerade voll auf die Nerven, was du da für einen Scheiß fabrizierts wieder!“ und das kann man dann schon auch mal sagen. Und das hat natürlich dann was damit zu tun, dass man schon bestimmte Sachen erreicht hat, dass ein Vertrauensverhältnis ist“ (I5, Z. 2011 f.).

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„Weil Vertrauen muss man sich ja erarbeiten und wenn wir ja teilweise auch angesprochen werden, wenn wir unterwegs sind, ist das auch ein Zeichen von, ich sag jetzt mal, Erfolg oder ein Gradmesser von Erfolg, dass wir akzeptiert werden, da wo wir eigentlich auch zu Gast sind. Und wir sind da jetzt nicht viel mehr oder gar nicht mehr, sondern wir sind auf Augenhöhe, immer.“ (I4, Z. 1078 f.).

 

Folgende Aussage unterstreicht, dass nicht jeder für die direkte Arbeit mit jungen Menschen in prekären Lebenssituationen geeignet ist und dass bestimmte soziale Fähigkeiten erforderlich sind.

„Es gibt aber auch Leute, das ist jetzt vielleicht nicht so das, was sie gerne machen, die arbeiten eher in einem anderen Kontext mit Jugendlichen“ (I5, Z. 1907 f.).

 

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Menschliche Verbindung als Gelingensfaktor

Die Fähigkeit der Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, als Individuen wahrgenommen zu werden und eine menschliche Verbindung zu den jungen Menschen aufzubauen, ist entscheidend für den Erfolg der Angebote. Die jungen Menschen entscheiden auf der Grundlage der menschlichen Interaktion, ob sie mit den Fachkräften zusammenarbeiten möchten. Der persönliche Eindruck und die authentische menschliche Beziehung sind daher ausschlaggebend für eine erfolgreiche Unterstützung. Dementsprechend ist auch ein heterogenes Team mit verschiedenen Stärken entscheidend, welches den unterschiedlichen Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht wird.

„Aber in dem Moment arbeiten wir als Menschen mit den Teilnehmern und die entscheiden dann menschlich gesehen, ob die uns wollen oder nicht, ob die mit uns arbeiten wollen oder nicht … sondern wirklich, wer wir als Personen sind und wie wir auf die wirken“ (I6, Z. 4137 f.).

„Also mit den Mitarbeitenden steht und fällt das ... Ja, sowohl die Einstellung der Mitarbeitenden als auch, ich glaube, die Leute als Personen“ (I6, Z. 4137 f.).

„Und deswegen ist es glaube ich auch sehr gut als Team sehr heterogen zu sein, also dass jeder seine eigenen Stärken hat, dass der Teilnehmer sagen kann „ja, mit dir komme ich klar und mit dir aber nicht, vielleicht“ ne“ (I6, Z. 4137 f.).

 

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Aktive Unterstützung als Gelingensfaktor (Hands-on-Mentalität)

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit packen, wenn die Situation es erfordert, aktiv mit an. Sie zeigen keine Berührungsängste, selbst wenn die Umstände schwierig sind, und arbeiten gemeinsam mit den jungen Menschen, um praktische Probleme zu lösen. Dabei vermitteln sie ein Gefühl von Unterstützung und Zusammenarbeit. 

„Ja genau und keine, ja keine Berührungsängste ist es manchmal auch. Also wenn ich so zum Beispiel am Anfang in der Wohnung bin und die sieht halt ganz fürchterlich aus, diese Wohnung und wir müssen erst mal drei Tage Wohnung ausräumen, dann packe ich mit an. Also dann wird halt Müll raus getragen … Dann wird halt auch mal ein Putzplan gemacht und dann nehme ich auch mal einen Staubsauger in die Hand und sag nicht „So, du musst jetzt da staubsaugen, da staubsaugen“, dann macht man es gemeinsam“ (I5, Z. 1889 f.).

 

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Teamarbeit als Gelingensfaktor

Ein wesentlicher Faktor, der zum Erfolg der Aufsuchenden Arbeit beiträgt, ist die Zusammenarbeit als und im Team. Ein gut abgestimmtes Team, das sich aufeinander verlassen kann, gegenseitig ergänzt und auch kritische Punkte ansprechen kann, bewältigt gemeinsam schwierige Situationen. Der Austausch über die teilnehmenden jungen Menschen spielt dabei eine zentrale Rolle. Die pädagogischen Fachkräfte profitieren von den Impulse ihrer Kolleginnen und Kollegen und erhalten neue Perspektiven. Die Freude an der gemeinsamen Arbeit und der gute Zusammenhalt im Team unterstützen das Team dabei, auch in herausfordernden Zeiten effektiv gemeinsam zu agieren.

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„Dass wir so gut eigentlich miteinander klarkommen, das ist, glaube ich, unsere Stärke, dass wir so wie wir sind, gut zusammenpassen und auch … über alles reden können. Selbst wenn mal irgendwie mal jemand was blöd findet von einem, was ja auch vorkommt, kann man das ansprechen. Und da muss keiner Angst haben, dass er deswegen irgendwie, dass wenn dann man im Bus zusammen sitzt, dann drei Stunden nicht miteinander redet oder so. Ich glaube, das wäre schlecht dann (lacht)“ (I4, Z. 2322 ff.).

 

„So diese Zwischengespräche zu den Teilnehmern, die sind sehr, sehr wichtig, weil Kolleginnen und Kollegen, die haben vielleicht eine Idee, auf die ich gar nicht gekommen bin, weil ich da mich auch irgendwo festgefahren habe, vielleicht … Andere Impulse, so, eine andere Sicht auf die Dinge“ (I6, Z. 4422 f.).

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„Ja, ich finde es einfach gut, dass wir ein gutes Team sind und einfach Bock haben nach wie vor und Ideen haben … Das wir da uns gut ergänzen und im Team da auch ganz viel auch an vielleicht mal schwierigen Situationen auffangen können“ (I4, Z. 2216 f.).

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„Ja, aber dann ist auch wieder ein flexibles Team vielleicht wichtig, dass man weiß, okay, die eine Person ist aber auf jeden Fall morgens erreichbar... Wo ich sage, ´gut, ich aber dann erst ab neun oder zehn` ... das ist wichtig, dass ein Team sicher aufgestellt ist da, dass man sich aufeinander verlassen kann und jeder irgendwie, wie gesagt, den Sinn der Arbeit sieht und das nicht nur macht, um irgendwie Kohle nach Hause zu bringen“ (I6, Z. 4245 f.).

 

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Stabilität im Team als Gelingensfaktor

Stabilität innerhalb des Teams spielt eine große Rolle in der Aufsuchenden Arbeit. Für viele Jugendliche in der AdressatInnen-Gruppe sind häufige Beziehungsabbrüche eine prägendes Erlebnis. Daher ist es besonders wichtig, dass es verlässliche und kontinuierliche Ansprechpersonen gibt, die den jungen Menschen in prekären Lebenslagen Stabilität und Kontinuität bieten. Unbefristete Verträge tragen dazu bei, dass pädagogische Fachkräfte länger in ihrer Position bleiben, was für den Aufbau von Netzwerken und Beziehungen entscheidend ist. Ein stabiles Team gewährleistet eine höhere Qualität der Arbeit, da die Fachkräfte die notwendige Zeit haben, sich thematisch einzuarbeiten und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen.

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„…und wir haben halt zwei Stellen, die offiziell unbefristet … deswegen hat der BDKJ sich … entschieden, das als unbefristete Verträge zu machen. Und das finde ich auch aus Mitarbeiterinnen Sicht gut, weil ich das auch bei anderen Projekten erlebe, ja klar, wenn man nur so eine kurze Perspektive hat und eigentlich klar ist, es geht weiter, aber es ist nicht vertraglich gesichert, dann überlegen sich die Leute schon, schneller wegzugehen. Und ich finde, gerade bei uns ist es so enorm wichtig, länger dabei zu sein, weil man durch dieses ganze Netzwerken . . . eh man alle Leute kennt ist ja schon fast ein Jahr rum . . . Man muss sich thematisch einarbeiten, man muss irgendwie Kontakte in die Netzwerke kriegen und auch zu den Jugendlichen. Und das wäre einfach von der Qualität her unglaublich viel schlechter, wenn jedes Jahr oder alle zwei, drei Jahre jemand wechseln würde … also ich finde es schon auch ein Qualitätsmerkmal irgendwie, dass das wir doch verhältnismäßig stabil sind als Team“ (I3, Z. 1041 ff.). 

 

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Vernetztes Arbeiten als Gelingensbedingung

Ein vernetztes Arbeiten ist in der Aufsuchenden Arbeit unerlässlich. Dies umfasst die enge Zusammenarbeit mit verschieden Akteuren und Institutionen innerhalb des Hilfesystems. Diese Netzwerke basieren häufig auf den langjährigen Erfahrungen und persönlichen Kontakten der Fachkräfte und sind entscheidend für den Erfolg ihrer Arbeit. Die Pflege der Netzwerke hängt ebenfalls von den vorhandenen Ressourcen, sowie dem Interessen und der Erfahrung der Fachkräfte ab. Das vernetzte Arbeiten entwickelt und verändert sich im Laufe der Zeit. Wichtig ist eine Offenheit der Fachkräfte für Informationsgespräche und Begleitungen, um die Institutionen vor Ort kennenzulernen.

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„… warum es bei uns nochmal so viel wichtiger ist, dieses vernetzte Arbeiten. Dadurch brauchen wir halt die Kontakte zu den Jugendlichen, aber auch zu den Kooperationspartner*innen. Und das macht es, glaube ich so, von den Personen abhängig, dass man das als Person auch hat. Also ich kann mich ja nicht aufs Renommee oder auf eine Zuständigkeit oder sagen, per Anweisung müssen wir jetzt zusammenarbeiten oder so, wie es vielleicht mit anderen Institutionen ist. Oder wir kooperieren jetzt einfach, weil wir institutionell kooperieren, sondern es geht halt schon über Kontakte und über Beziehungen, also eine Arbeitsbeziehung, die man hat … und deswegen ist es schon ein bisschen wenig austauschbar, würde ich sagen, so die Kolleginnen und Kollegen“ (I3, Z. 2612 f.).

 

Ein gewisses Netzwerk schon, dass man sich im Hilfesystem auskennt und dass man da gewisse Ansprechpartner kennt, und das ist, denke ich, wichtig“ (I5, Z. 1795 f.).

 

 

Persönliche Kompetenzen die zum Gelingen beitragen

 

Selbstreflexion und Reflexion der eigenen Arbeit als Grundlage erfolgreichen Arbeitens

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur kontinuierlichen Entwicklung des eigenen Arbeitsstiles sind essenziell für den Erfolg in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Dies beinhaltet nicht nur die Reflexion der eigenen Arbeit und deren Wirkung, sondern auch die ständige Anpassung und Verbesserung der Methoden, um den Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht zu werden. Es ist wichtig, regelmäßig zu hinterfragen, ob man den Zugang zu den jungen Menschen noch hat oder ob es Schwierigkeiten gibt, diesen aufrechtzuerhalten.

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„Das erwarte ich auch von jedem hier jeder Mitarbeiter*in, dass man da immer irgendwie guckt, wo stehe ich selbst und wie komme ich an … ich erwarte hier so ein bisschen Selbstreflexion oder wir erwarten das grundsätzlich, dass man guckt, wie man ankommt beim Klientel“ (I1, Z. 2151 f.).

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„Und dafür ist halt Supervision und unsere Teambesprechungen so total wichtig, um da eigentlich so mitzukriegen, wie macht es jeder und jeder macht es ja ein bisschen anders und sich da auch selber zu verorten und zu entwickeln und sich da für sich selber, so einen Arbeitsstil zu entwickeln“ (I3, Z. 1688 f.).

 

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Verantwortungsbewusstsein für die selbstständige Arbeitsweise

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit übernehmen Verantwortung für ein selbstständige Bearbeitung ihrer Aufgabenbereiche und legen dabei großen Wert auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Diese Verantwortung zeigt sich nicht nur in der Reflexion ihrer Arbeitsweise, sondern auch in ihrer Einstellung zur Arbeit.

„Und da finde ich, ist es eine Vertrauensbasis plus auch eine Einstellung der Mitarbeiter zu sagen „Nee, in der Zeit arbeite ich auch in meinem Job“ und mache nicht.. tingel nicht für mich hin oder her … wenn ich sage, ich war fünf Stunde unterwegs, dann war ich auf fünf Stunden unterwegs, weil mir wichtig ist, dass ich in meiner Dienstzeit auch voll 100 % in meiner Arbeit gebe“ (I6, Z. 4312 f.).

 

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Frustrationstoleranz als Gelingensfaktor

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit zeichnen sich durch eine hohe Frustrationstoleranz aus. Sie akzeptieren es, wenn die jungen Menschen aufgrund ihrer Problemlagen nicht zu Terminen erscheinen und Absprachen nicht einhalten. Selbst nach mehreren Absagen freuen sie sich, wenn ein Teilnehmender schließlich erscheint. Diese Geduld und Ausdauer sind entscheidend, da von den Reaktionen der Fachkräfte oft die weiteren Schritte im Leben der jungen Menschen abhängen. Sie finden Wege, um Kontakt aufrechtzuerhalten und vermitteln den jungen Menschen stets, dass sie sie nicht aufgeben werden.

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„Also ich würde schon sagen, weil man muss schon einen bestimmten Zugang finden. Also ich denke es gibt auch welche, denen das vielleicht nicht so leicht fällt, dann nach fünfmal versetzt werden auch beim sechsten Mal noch einigermaßen gut gelaunt vor der Tür zu erscheinen und zu sagen“ Toll, dass es heute geklappt hat“ (lacht). Und ich denke, das ist schon was, was man auf jeden Fall mitbringen muss, … eine gewisse … Frustrationstoleranz“ (I5, Z. 1872 f.).

„…Und auch wenn dir mal jemand an dem einen Tag sehr quer gekommen ist, an dem nächsten Tag halt …gehst du wieder ganz normal mit dem um. Und genau, du musst halt einfach du selbst sein, würde ich sagen“ (I4, Z. 1258 f.).

„Ja gut, weil wir ja auch mit Menschen, ja arbeiten irgendwo, … wo es Gründe hat, warum die vielleicht nicht antworten oder dass man da nochmal ein Lebenszeichen hinterlässt und sagt, keine Ahnung, man hat jetzt, ist jetzt von mir aus im Urlaub fünf Tage, aber wenn was ist, kannst du die und den anrufen. Ja, weil es ist keine Akte, die da liegt, sondern da steckt ja noch was hinter.“ (I6, Z. 4197 f.).

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„Ich weiß morgens es kann auch ganz anders sein. Aber ist ja auch ganz spannend da habe ich mich dran gewöhnt (lacht), dass es auf jeden Fall nicht so ist, wie man es sich plant … Zu sagen „Ach, wenn jemand es aber nicht schafft, hier pünktlich zum Termin zu kommen, dann ist er auch nicht ausbildungsreif“ halte ich für schwierig, weil es kann was dazwischen kommen und viele passen auf kleine Geschwister auf, müssen was für die Eltern erledigen … es gibt auch wirklich Gründe, warum Leute dann auch zu spät kommen, das finde ich auch total okay“ (I3, Z. 1710 f.).

 

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Resilienz als Gelingensfaktor in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Die pädagogischen Fachkräfte betonen die Wichtigkeit der Fähigkeit, mit den Höhen und Tiefen der Arbeit umzugehen und sich in schwierigen Situation gegenseitig im Team zu unterstützen. Der Umgang mit den emotionalen Herausforderungen und das gemeinsame Bewältigen von Krisen sind essenziell, um die psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten und die erforderlichen Ressourcen immer wieder aufladen zu können.

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„…so mit diesen ganzen Aufs und Abs auch zu leben, das hat was … Wenn … man da jetzt irgendwie nicht klar käme und dann praktisch dann auch so in viele Abgründe gucken müsste jeden Tag, wo junge Menschen einfach in einer richtigen Scheißsituation sind. Und das nicht da wäre, dann glaube ich, würde man dann irgendwann auch so seine Ressourcen nicht mehr abrufen können“ (I4, Z. 2216 f.).

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Die Fachkräfte betonen die große Bedeutung von Humor und die Fähigkeit, mit Stress in schwierigen Situationen umzugehen, ohne die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Innerhalb der Resilienz spielt es eine große Rolle, nicht alles zu ernst zu nehmen und auch in herausfordernden Momenten eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren und gemeinsam Spaß zu erleben.

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„Und was man auf jeden Fall haben muss, ist Humor und man darf nicht alles zu ernst nehmen und auf jeden Fall die Sachen nicht mit nach Hause nehmen. Man muss auch mal einfach drüber lachen, auch wenn man eigentlich nicht drüber lachen kann“ (I4, Z. 2358 f.).

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„Ja, wir haben auch Spaß untereinander. Wir lachen auch viel … Und das ist auch wichtig, wenn man auch viele, schlimme Sachen hört, außer von den Klienten immer, dass man da so ein bisschen dadurch wieder sich selbst reinigt“ (I6, Z. 4406 f.).

 

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Abgrenzung und Selbstschutz als Grundlage für ein gelingen der Arbeit

Die Fachkräfte betonen die Wichtigkeit, sich abzugrenzen zu können und die eigenen Grenzen sowohl im Team zu verhandeln als auch gegenüber den jungen Menschen klar aufzuzeigen. Diese Abgrenzung ist entscheidend, um die eigene Gesundheit zu schützen. Ein starkes Schutzkonzept, sowie die Möglichkeit der Bearbeitung innerhalb von Supervision ist notwendig, um die Resilienz der Fachkräfte zu fördern.

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„ Also da müssen wir auch mal auf den Tisch hauen und sagen „So geht's nicht!“ … Auf jeden Fall genau ein dickes Fell sollte man haben“ (I5, Z. 1959 f.).

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„Und auch so dieses, wann grenze ich mich wie ab und wieviel mache ich mit und nicht, da ist auch jeder ein bisschen anders und das müssen wir dann verhandeln und das sorgt auch mal für Diskussionen, und solange die gut miteinander verhandelt werden, ist es ja auch total okay und total befruchtend oder irgendwie lehrreich für alle. Also wie macht es die andere Person und ab wann ist es vielleicht gar nicht mehr so gut und wann ist es auch, wäre es auch mal total gut, dass eigene zu verändern oder so. Wir versuchen einen Diskussionsprozess hinzukriegen“ (I3, Z. 219 f.).

 

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Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Aufsuchenden JSA als Gelingensfaktor

Die Fähigkeit, sich auf ständig wechselnde Situationen und neue Herausforderungen einzustellen zählt zu den wichtigsten persönlichen Kompetenzen innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Die Flexibilität und Anpassungsmöglichkeit ermöglicht es den Fachkräften, sich auf die individuellen Bedürfnisse der jungen Menschen einzulassen und auf unterwartete Ereignisse angemessen zu reagieren.

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„Leute, die sich halt jeden Tag auf was Neues einstellen können, das ist ja nicht selbstverständlich … Man weiß nie was passiert, wen trifft man, welche neuen Projekte überlegt sich hier irgendwer gerade, wie soll es weitergehen? Also damit kann nicht jeder umgehen“ (I4, Z. 2289 f.).

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„Ja, es ist immer anders. Wir müssen sehr flexibel sein. Wir müssen uns immer neu anpassen. Arbeiten autark … Und wir haben im Hinterkopf natürlich ein Ziel. Teilnehmer hat das vielleicht nicht so ganz und wir arbeiten an dieser Sache ganz gezielt und fokussieren das alles … Wir sind schon richtig, richtig cool (lacht)“ (I6 Z. 4369 f.).

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„…wenn man freitags abends unterwegs ist und eigentlich bin ich aber um 20:00 Uhr mit meinen Freunden verabredet, aber um 19:30 Uhr eskaliert es da am Bahnhof komplett …dass da irgendwer komplett in einer Notsituation ist und so, dann gehe ich ja nicht … dann sage ich meinen Freunden halt „Okay, ich komme halt eine Stunde später oder so oder halt auch gar nicht“ (lacht)“ (I4, Z. 2311 f.).

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„Auch irgendwie die innerliche Ruhe zu haben, sich auf die Person einlassen zu können und zu sagen „Okay, was ist jetzt Thema und was machen wir denn?“ und nicht schon zu wissen, gleich kommt wieder jemand, das ist auch gut“ (I3, Z. 1735 f.).

 

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Die Bedeutung der persönlichen Einstellung in der Aufsuchenden Arbeit

Die persönliche Einstellung und Motivation der Mitarbeitenden sind entscheidend für den Erfolg der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit. Die Fachkräfte betonen, dass man Sympathie und einen persönlichen Anreiz für die Arbeit mit jungen Menschen in prekären Lebenslagen mitbringen muss. Ohne Interesse an Chancengleichheit und Sozialpolitik ist es schwierig, sich in diesem Bereich einzusetzen. Die Fachkräfte teilen eine gemeinsame Leidenschaft und Neugier für die Arbeit mit jungen Menschen. 

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… ein bisschen verrückt muss man schon sein in dem Laden (lacht), also … jemand der im Grund nur so einen Job nach Dienst und Vorschrift macht, ist glaub ich, hier falsch. Würde bestimmt auch auffallen“ (I1, Z. 1571 f.).

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„Ich glaube uns vereint so das Interesse und auch so eine gesunde Neugier auf junge Menschen: Und auch wirklich so trotz aller Fachlichkeit, auch dass wir, glaube ich das auch mit viel Herz versuchen zu machen, dass wir versuchen eine gute Ebene in der Kommunikation hinzubekommen, dass wir versuchen, so gut wie es geht, auch Präsenz zu zeigen. Es ist schwer, so von sich selber zu sagen, was da jetzt letztendlich wirklich das Gute daran ist, was man macht. Aber ich glaube allen … die in diesem Projekt arbeiten, merkt man glaube ich schon eine gewisse Leidenschaft auch an Themen an, ohne dass das nicht geht“ (I5, Z. 1872 f.).

 

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Innere Motivation zur Unterstützung benachteiligter junger Menschen als Gelingensfaktor

Der innere Antrieb und die Motivation, in einem herausfordernden Umfeld zu arbeiten und junge Menschen zu unterstützen, die innerhalb der Gesellschaft benachteiligt sind und oft Kritik ausgesetzt sind, spielen für die Fachkräfte eine entscheidende Rolle. Die pädagogischen Fachkräfte müssen stark motiviert und interessiert daran sein, Menschen anzusprechen und neue Kontakt zu knüpfen. Diese Arbeit erfordert, dass man sich ständig an die Bedürfnisse und Stimmungen der jungen Menschen anpasst. Die Einstellung der Fachkräfte zeigt, dass es in der Aufsuchenden Arbeit um mehr geht als nur um das Verdienen des Lebensunterhaltes; es geht darum echt Sorge und Unterstützung anzubieten.

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"Also man muss schon selber motiviert sein, glaube ich, das zu tun. Auch interessiert daran sein, Leute anzusprechen, neue Leute kennenzulernen. Man muss ja auch ein bisschen von sich und seiner Stimmung da schon immer anpassen. Es ist auch teilweise einfacher oder anders einfach zu sagen, okay, ich habe eine 3/4 Stunde, was machen wir.. die und die Sachen, okay, und dann ist professionell zu beenden. Das ist auch okay und es ist auch total nachvollziehbar und finde ich auch gesund, es teilweise so abzugrenzen in der Beratungsstelle oder so. Aber es ist nicht die Idee von der Aufsuchenden Arbeit so“ (I3, Z. 1665 f.).

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„Also die Jugendlichen merken glaube ich …ob das so eine innere intrinsische … so was ist. Wenn die sich nicht ernst genommen fühlen, wenn die sich nicht wahrgenommen fühlen und wenn die sich auch nicht mit einem ehrlichen Gegenüber konfrontiert fühlen, dann verlieren die auch ganz schnell das Interesse. Dann bist du manchmal so eine auswechselbare Figur“ (I4, Z. 1265 f.).

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„Und nicht nur, weil ich hier hin komme, um mein Geld zu verdienen und dann wieder gehe. Und ich glaube das.., das merkt man auch dann in der Arbeit und ich nehme das bei meinen Kollegen auch so wahr. Also dass das nicht ist „ach ja, komm, Hauptsache bis 16:00 Uhr und dann kann ich nach Hause gehen“, sondern da ist die Einstellung wichtig und zu sagen „nee, ich mach mir Sorgen, ich fahr noch mal raus, ich gucke nochmal, wo die Person X ist“ … Vielleicht habe ich gerade kein Bock, weil es regnet und schüttet, aber ich mache es einfach, weil es muss, gemacht werden und dann läuft es hier. So, ich glaube, das ist sehr wichtig, so Charaktere da in dem Bereich zu haben … Ja, weil es ist keine Akte, die da liegt, sondern da steckt ja noch was hinter. Das ist es irgendwo, das einen ja dann auch antreibt … in der Situation versucht man mit dem Menschen eben zu arbeiten und was mit dem zusammen zu erreichen“ (I6, Z. 4197 f.).

 

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Die Kontoverse um den Begriff „Berufung“ innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit

Der Begriff der „Berufung“ kann überzogen wirken, da er eine sehr hohe emotionale und moralische Bindung an die Arbeit impliziert. Nicht jede:r im Feld der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit empfindet dies möglicherweise so stark und so kann diese Aussage zu einem externalen Druck und zu unrealistischen Erwartungen führen. Eine neutrale Formulierung, die die Arbeit als sinnvoll und erfüllend beschreibt, wäre allgemeingültiger. Fachkräfte betonen jedoch, dass viele die Arbeit im sozialen Bereich, besonders in der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, als äußert erfüllend und lohnend empfinden. Laut Aussage der Fachkräfte ist eine intrinsische Motivation und ein starkes Interesse für diese Art der Arbeit und die Zielgruppe unbedingt erforderlich. Ohne diese innere Begeisterung sind die Herausforderungen und Belastungen dieser Aufgabe nur schwer zu bewältigen. 

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Die Aussagen der Fachkräfte zeigen eine tiefe persönliche Bindung und hohe Motivation zu ihrer Arbeit. Es ist wichtig, diese Leidenschaft anzuerkennen, gleichzeitig sind Begriffe wie „Berufung“ vorsichtig zu verwenden, um die Realität der Arbeit nicht zu romantisieren. Ein ausgewogenes Verständnis, das sowohl die Herausforderungen als auch die Erfüllung durch die Arbeit reflektiert, scheint hier passender.

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„Ja, ich glaube, ich glaube, wir alle machen das, so nehme ich das wahr, dass wir nicht nur aus einer reinen Berufssicht, sondern auch Berufung. Also wie bei vielen Sozialarbeitern so. Wir machen das auch, weil wir das für.. oder ich zumindest, ich mache das, weil ich das als richtig erachte und als sinnvoll“ (I6, Z. 4197 f.).

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„Aber wenn ich hier bin, dann bin ich voll da und ich bin für meine Teilnehmer immer ansprechbar und ich mache mir schon Gedanken, wie kann ich die unterstützen? Also das ist nicht reine Arbeit, sondern Berufung! Das sehe ich auch bei mir.“ (I6, Z. 4227 f.).

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„Ich finde, wenn man in der Aufsuchende Arbeit, es gibt Leute, die machen das gerne und ich glaube dann kann man auch erfolgreich sein also dann kann man auch was erreichen“ (I5, Z. 1907 f.).

 

 

 

Organisatorische Kompetenzen welche zum Gelingen beitragen

 

Planung und Priorisierung von Aufgaben

 

Die Fähigkeit, Anfragen zu priorisieren und den eigenen Arbeitsstil zu entwickeln, gehört zu den organisatorischen essenziellen Aufgaben innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit.

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Wie reagiere ich auf Anfragen? Wie schnell muss irgendwas sein, wie schnell muss es auch nicht sein? Wie kann ich jetzt alle halbwegs gerecht bedienen und so? (I3, Z. 1688 f.).

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„… da gucken wir nach Bedarf … Genau, wir rotieren, wer hat gerade am meisten Kapazität oder am meisten Zeit…“ (I6, Z.3970 f.).

 

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Selbstorganisation und Eigenverantwortung in der Gestaltung des Arbeitsalltags

Die Fachkräfte schätzen die freie und autonome Art der Arbeit sehr. Diese Freiheit erlaubt es ihnen, ihre Tätigkeiten nach eigenem Ermessen zu gestalten und selbst zu entscheiden, wieviel Zeit sie für verschiedene Aufgaben investieren. Diese Arbeitsweise erfordert jedoch auch eine hohe Motivation und Disziplin, da die Fachkräfte eigenverantwortlich arbeiten und nicht ständig überwacht werden. Die Fähigkeit, diese freie Arbeit eigenverantwortlich zu füllen, ist entscheidend. Fachkräfte betonen, dass es keine externe Überprüfung gibt, wie die Zeit und Energie investiert wird, solange die jungen Menschen gut betreut und begleitet werden.

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„Also es ist wichtig, dass wir so frei arbeiten können. Ich glaube, man braucht aber auch Typen, die das können. Man muss auch als mitarbeitende Person in der Lage sein, das dann zu füllen, diese freie Arbeit, weil es steht nun mal keiner dahinter und davor“ (I3, Z. 1665 f.). 

 

„Weil keiner tritt mir in den Hintern und sagt, du musst jetzt aber zu dem Teilnehmer rausfahren. Das ist ja eigenverantwortlich, was ich in der Arbeit leiste, wir sind ja teilweise wie selbstständig, weil wir nicht da mit der Stechuhr sitzen und nicht, ich muss mich nicht am PC einloggen und dann aber ausloggen, sondern ganz viel Eigenverantwortung

 

„Und da finde ich, ist es eine Vertrauensbasis plus auch eine Einstellung der Mitarbeiter zu sagen „nee, in der Zeit arbeite ich auch in meinem Job“ und mache nicht.. tingel nicht für mich hin oder her … also ich werde nicht durchgehend überwacht mit einloggen, ausloggen … Wir gestalten unseren Arbeitsalltag und ob ich mit einer Teilnehmerin drei oder fünf Stunden unterwegs bin, kann in dem Moment keiner mit einer Videokamera nachhalten“ (I6, Z. 4312 ff.).

 

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Anpassungsfähigkeit 

Die Fachkräfte beschreibt die Notwendigkeit, die Arbeitsweise flexibel an die Gegebenheiten vor Ort und den Bedarf, sowie an die jeweiligen Präferenzen der Fachkräfte anzupassen.

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Das ist ja auch das Gute bei uns, dass da jetzt nicht jemand das dann unbedingt machen muss, wenn er sagt, „Das ist aber so gar nicht das, was mir liegt“ (I5, Z. 1907 f.).

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… Das kommt immer ein bisschen darauf an, wo, wie die Räumlichkeiten sind, ob wir da parallel sein können und wollen und wie auch der Bedarf ist. Das ist so ein bisschen unterschiedlich“ (I3, Z. 840 f.).

 

 

Arbeitsbelastung und Work-Life-Balance

Die Aussage beschreibt die Herausforderungen und den Energieaufwand, die mit einer Vollzeitstelle innerhalb der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit verbunden sind, sowie die Bedeutung der Abgrenzung und Selbstfürsorge der Mitarbeitenden. Mitarbeitende der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit berichten von einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch und der Realität der Arbeitsbedingungen. Insbesondere die Schwierigkeit, Überstunden abzubauen, da dies die Arbeitsbelastung der Kolleg*innen meist noch erhöht und diese gegebenenfalls alleine unterwegs sind.

Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit berichten, dass die Arbeit in Vollzeit herausfordernd und sehr anstrengend sein kann. Es kostet sie viel Energie, sich mit den Geschichten der jungen Menschen auseinanderzusetzen, nicht immer gelingt in der Freizeit die Abgrenzung hiervon. Um sich zu schützen, ist es daher wichtig, klare Grenzen zu ziehen und z. B. das Diensthandy nach der Arbeit auszuschalten. Auch die vielen, teils herausfordernden Gespräche mit den jungen Menschen in prekären Lebenssituationen ziehen viel Energie, so dass es den Fachkräften in der Freizeit teilweise schwer fällt, Gespräche zu führen.

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„… Aber das ist schon, 40 Stunden Soziale Arbeit finde ich schon.. also ist schon sportlich, würde ich mal sagen…“ (I3, Z. 840 f.). 

„…hatte ich ein Vorstellungsgespräch und da ging es darum ne aber volle Stelle will ich gar nicht, maximal 30 Stunden, weil ich will auch noch was von der Familie haben. Das ist in letzter Zeit immer stärker so, ich kann mir das auch sehr gut vorstellen, weil die Arbeit auf der Straße ist ja mitunter auch, dass als volle Stelle auszufüllen ist heftig, finde ich“ (I2, Z. 2466 f.).

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Resümee

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit berichten, Erfahrungen aus dem Netzwerk sind innerhalb der Arbeit unerlässlich, ebenso wie regelmäßige Fortbildungen, um stets auf dem neusten Stand zu bleiben. Persönliche Voraussetzungen wie eine selbstkritische Haltung und die Fähigkeit zur Selbstreflexion sind entscheidend, um den Zugang zum Klientel zu verbessern. Es sei wichtig, neugierig zu sein auf die Bedürfnisse junger Menschen, während gleichzeitig Erfahrung in der Aufsuchenden Arbeit eine bedeutende Rolle spielt.

Qualifizierungen in Bereichen wie Aufsuchender Arbeit, Themen wie Sexualität und sexualisierter Gewalt sind notwendig. Kollegiale Beratung und ein gut funktionierendes, heterogenes Team, das sich regelmäßig austauscht, sind essenziell für das Gelingen der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit, da es hierbei häufig nicht viele Vorschriften gibt und daher gemeinsame Abstimmungen erforderlich sind.

Eine kontinuierliche persönliche Entwicklungsperspektive wird von den Mitarbeitenden der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit hoch geschätzt, und unbefristete Verträge sorgen für die notwendige Stabilität. Der Teamgedanke ist zentral, und ein vielfältiges Team, das regelmäßig Supervisionen durchführt, stärkt die Zusammenarbeit und den Austausch. 

Die Fachkräfte der Aufsuchenden Jugendsozialarbeit sind sich einig: im Teams muss es passen und jede:r Einzelne muss Interesse daran haben, sich weiterzuentwickeln, da Dienst nach Vorschrift hier nicht möglich ist und es nur wenige feste Vorgaben gibt. 

Der Erfolg in der Aufsuchenden Arbeit hängt stark von der Persönlichkeit der Mitarbeitenden ab. Geduld, Humor und Frustrationstoleranz sind ebenso wichtig wie die Bereitschaft, praktisch anzupacken und keine Berührungsängste zu haben, selbst wenn dies nicht den gängigen Normalitätsvorstellungen entspricht. Ein diverses Team, das über vielfältige Netzwerkkontakte verfügt und vernetzt arbeitet, ist entscheidend. Die Fähigkeit sich auf die Jugendlichen einzulassen, und eine stabile Teamstruktur tragen wesentlich zum Gelingen bei. Findet man sich als Fachkraft innerhalb dieser Voraussetzungen zurecht, findet man ein Arbeitsfeld welches herausfordernd, jedoch auch bereichernd ist.

10. Regionale und kommunale Bedingungen Aufsuchender Jugendsozialarbeit

Regionale und kommunale Bedingungen vor Ort

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„Sondern wir sind darauf angewiesen, dass wir Teil des Netzwerks  sind, das kennt man aus der Jugendhilfe, dass es da schwierig ist adäquate Angebote im ländlichen Bereich gibt es nicht irgendwie anerkannter Träger sind, dass man eben auch über uns redet und zu uns schickt und dann sind das andere Einrichtungen, das ist das Jobcenter, das ist mittlerweile sogar auch mal das Jugendamt“ (I1, Z. 38 f.).

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„Im süddeutschen Raum sind wir ja zum Beispiel überhaupt nicht vertreten. Dann ist es an der Beraterin, dem Berater dran irgendwie zu gucken und zu recherchieren, was gibt es da für Möglichkeiten“ (I1, Z. 223 f.).

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„Wir haben es dann aber ein paar Jahre in Dortmund ausprobiert, Spendenfinanziert, eben dieses Schulprojekt PreJob ins Leben gerufen und dann tatsächlich es geschafft, das Kölner Jobcenter zu überreden das dies finanzieren. Das wäre so etwas, der Wunsch wäre es, dass das an all unseren Standorten angegliedert passiert“ (I1, Z. 572 f.).

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„Also auf dem Land, ist natürlich immer unterschiedlich“ (I1, Z. 2202).

 

„…meistens ist in diesem Rathaus auch gleichzeitig das Jobcenter, die Einwohnermeldeamt und das Amt für Wohnungswesen und das heißt dann teilweise auch noch nicht mal so, sondern das ist eh nur ein Typ, der dreht es dann immer so um 45 Grad weiter und hat einen anderen Computer“ (I1, Z. 2205 f.).

 

„…das kennt man aus der Jugendhilfe, dass es da schwierig ist. Adäquate Angebote im ländlichen Bereich gibt es nicht irgendwie “ (I1, Z. 2213 ff.).

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„….es hat nicht jeder Ort hat eine Notschlafstelle… oder kommt einmal in 50 Jahren vor und dann ist es billiger für den dann ein Hotelzimmer zu nehmen“ (I1, Z. 2218 ff.).

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„Aber die Idee davon, dass, das so Dinge passieren können, wäre schon nicht schlecht, wenn das da auch alle Menschen wissen würden“ (I1, Z. 2255 f.).

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„…es gibt schon so ein paar schwarze Löcher in Deutschland, wo man echt so und dann auch online.., wir können ja auch nur rumtelefonieren und online suchen. Was echt schwierig ist!“ (I1, Z. 2262 f.).

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„Und wir arbeiten bzw. ich arbeite mit mehreren Multiplikatoren, die in diesem Stadtteil auch sich mit den Jugendlichen beschäftigen. Dazu gehören Schulen, natürlich ganz wichtig, die Haupt-Kooperationspartner sind die Schulen für mich, weil ich immer eine Rückmeldung brauche von den Jungs, die ich am Nachmittag betreue, die zu mir zum Sport kommen. Und für mich ist ganz wichtig zu wissen, wie die Lage in der Schule[IB4]  bei denen ist und deswegen sind die Schulen für mich ganz wichtig“ (I2, Z. 18 ff.). 

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„Nee, wir haben keinen ländlichen Teil. Obwohl wir so ein bisschen die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, überhaupt eine Erreichbarkeit an den einzelnen Standorten ist schon auch in Berlin unterschiedlich, sagen wir mal so, von den Fahrtwegen, auch wenn es natürlich hier viel ÖPNV gibt. Aber beeinflusst trotzdem auch ein bisschen unsere Wahl, wo wir sind, ob wir nah an einer U-Bahn oder S-Bahn oder so sind . . . . Da kamen dann auch wirklich nicht so viele Leute hin und dann sagen halt, die liegt.. für uns liegt die schlecht, weil da fährt nur ein Bus vorbei und er fährt nicht so oft und da läuft man auch mal nicht vorbei. So, das ist schon anders als im ländlichen Raum, natürlich irgendwie. Aber so ein bisschen beeinflusst diese Infrastruktur der öffentlichen Verkehrsmittel schon unsere Wahl, würde ich jetzt mal behaupten“ (I3, Z. 2305 ff.).

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„Also hier in Berlin, Quartiersmanagement ist dann immer sozusagen, wenn irgendwie versucht werden soll, die Viertel attraktiver zu machen, mehr zu beleben, mehr Gemeinwesenarbeit eigentlich zu machen und dadurch so die sozialen Probleme zu verringern . . . . Ja, ob das jetzt Quartiersmanagement geschafft hat oder die Investoren haben, das weiß ich jetzt nicht genau (lacht), aber ja bedingt sich sicherlich“ (I3, Z. 2404 f.).

 

„Also wir haben ja glaube ich so 350.000 Einwohner hat der Bezirk. Also ist eigentlich so eine mittlere Stadt . . . . So ist es schon groß und auch lang, der Bezirk ziemlich lang gestreckt. Wir sind auch nicht die einzigen, die in diesem Thema[IB6]  arbeiten. Natürlich nicht, es gibt ja auch noch ganz andere Stellen, die beraten und unterstützen. Aber wir sind halt so der Teil vom Jugendamt, der dieses flexibler, mobile Aufsuchende machen sollen oder macht“ (I3, Z. 865 ff).

 

„. . . . wir haben hinten das Wittgensteiner Land, da fahren wir halt schon eine Stunde hin . . . . das finden wir problematisch, wir fahren dann hier los, sitzen eine Stunde im Auto und sind dann da unterwegs und wenn wir Glück haben, treffen wir Jugendliche. Aber es kann auch sein, dass wir jetzt eine Stunde Auto gefahren sind, ohne irgendjemanden angetroffen zu haben. Das ist halt dann traurig, nervig, keine Ahnung, wie man es nennen will. Genau und dann musst du ja auch wieder eine Stunde zurück. Also dann wäre es gescheiter, wenn da vor Ort selber auch Streetworker wären, die immer da vor Ort einfach sind, anstatt dass wir ne Stunde.., also in einer Stunde bin ich auch in Köln, ne . . . . . man fährt von hier nach Berleburg eine Stunde und dann fährt man ja nach Laßbach wieder ungefähr 20 Minuten, bis man in Bad Laasphe ist. Dann fährt man da wieder zurück . . . Erndtebrück. Man sitzt sehr lange im Bus und natürlich machen wir das gerne, wenn wir auch dementsprechend sehen, wir können da Jugendlichen weiterhelfen, aber das passiert mal und das passiert mal nicht. Und das macht es für uns schwer . . . wenn jetzt jemand vor Ort wäre und der würde sagen, „Da entwickelt sich gerade so eine Szene“ oder „Da treffen sich gerade Jugendliche öfters da und da und da gibt es ständig Stress oder so“, dann würde man da auch sofort einen Sinn haben. So muss man sich den manchmal suchen.“ (I4, Z. 1853 f.).

 

„. . . Siegen hat ja so in den letzten Jahren durchaus einiges gemacht, damit die Stadt attraktiver[IB7]  wird. Also das Sieg Ufer hier . . . . Also die Sieg ist ja jetzt offen und da war vorher mal so ein Parkplatz drüber. Es war quasi Beton, es war überdacht . . . da waren Autos gestanden, wo jetzt die Sieg offen ist, wo man sich so hinsetzen kann usw.“ (I4, Z. 2583 ff.).

 

„Das ist ein Flächenkreis, der ist ziemlich groß, der hat zwei Teile, den sogenannten Altkreis Wittgenstein und den Altkreis Siegen. Es waren mal zwei unterschiedliche Kreise, die sind zusammengefasst worden und besonders der Teil Wittgenstein ist ziemlich groß, wenig besiedelt, also eine völlig andere räumliche geographische Situation als im Siegerland. Und das gehört beides zum Kreis Siegen. Und mittendrin ist sozusagen die Stadt Siegen und die hat aber ein eigenes Jugendamt“ (I4, Z. 2738 ff.).

 

„Ne, also die Grundvoraussetzung von Jump Plus ist, dass man in Mannheim gemeldet ist, um halt Arbeitslosengeld II-Leistungen auch in Mannheim zu bekommen. Man muss Arbeitslosengeld II-Leistungen in Mannheim kriegen. Es ist jetzt nicht so, wenn jemand aus Ludwigshafen kommt und sagt „Ich krieg Arbeitslosengeld II-Leistungen in Lu, ich würde aber gerne hier bei euch teilnehmen“, das geht nicht“ (I5, Z. 2207 ff.).

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„Also sonst Besonderheiten von Mannheim, ist schon halt eine Arbeiterstadt geprägt, würde ich sagen. Ähm, ja, also ich denke, es gibt ja, ich denke das sind so die Besonderheiten, sehr hanseatisch“ (I5, Z. 2224 ff.).

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„Also wie gesagt, sind die Schulen ein ganz wichtiger Kooperationspartner für uns. Und weil wir von da die Rückmeldung kriegen, [wie] unsere Arbeit praktisch, also war. Und manchmal erzählt die Schule uns, dass so einige eine Unterstützung in einem Fach brauchen, so Nachhilfe. Da versuchen wir auch irgendwie behilflich zu sein, weil wir auch mit einigen Multiplikatoren arbeiten, die so was anbieten, also Nachhilfe zum Beispiel. Und in einem Jugendclub, mit dem ich intensiv zusammenarbeite, da gibt es so ein Angebot. Ja, natürlich nicht in jedem Fach, aber die Hauptfächer Mathe, Deutsch.. und da kann man sowas also irgendwie bekommen, also Nachhilfe.“ (I2, Z. 57 ff.). 

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„Da, wo der Bedarf ist versuchen wir. Ja. … Also meistens ist es so wie gesagt, da wo die, also viele Leute leben, sozusagen … Also es gibt die bestimmten Treffpunkten, also Bremen-Nord, Bremen, also der Haupt.., letzte Zeit nach dieser ukrainischen Geschichte, letzter Zeit ist der größte Treffpunkt ist Hauptbahnhof Bremen geworden. Genau, und das ist ein Mittelpunkt und da treffen sich, ja, man kann den Ort schnell erreichen.“ (I2, Z. 1265 ff.).

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„Also wir, wenn jetzt ein Termin in Krefeld ansteht, dann fahren wir auch bis nach Krefeld ... Mit einem Teilnehmer treffe ich mich oft in Essen, weil der an der Grenze zu Essen wohnt und sein Sozialraum sich auf Essen beläuft … Ja, aber auf jeden Fall, wenn jemand dann umziehen möchte in die Nachbarstadt, dann unterstützt man die Person ja auch, dass dann zu realisieren und begleitet den dann … Genau, wir arbeiten mit Menschen, die in Mülheim gemeldet sind … also wohnungslos gemeldet in Mülheim beispielsweise. Kann sich ja aber in Essen aufhalten … Ja und offiziell sollten sie sich ja eigentlich auch hier aufhalten“ (I6, Z. 3537 ff.).

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„mmh, also regional macht es unsere Arbeit leicht, dass in Mülheim alles sehr gut zu Fuß erreichbar ist - wenn man einmal am Hauptbahnhof ist, ist man in der Nähe von allem. Also das macht unsere Arbeit leicht, dass wir uns am Hauptbahnhof treffen können mit einem Teilnehmer und sagen können, wir gehen mal eben zum Jobcenter, dann gehen wir noch zur weiß ich nicht, Sparkasse, dann noch eben zur Schuldnerberatung und gucken dann noch mal in der Notschlafstelle eben vorbei. So, theoretisch wäre das alles in zwei Stunden abzuarbeiten. So, das erleichtert uns die Arbeit … weil Mülheim da gut aufgestellt ist … man läuft nicht länger als 20 Minuten von Punkt zu Punkt. Das ist total cool hier … Auf jeden Fall finde ich, funktioniert das gut. Also das ist für die Teilnehmer auch schon wirklich sinnvoll da … Na gut, wenn wir jetzt auch noch da sitzen würden, wäre noch besser *lacht* “ (I6, Z. 3642 ff.).

 

„Also teilweise noch die (...) Regelungen, die von Corona über geblieben sind, also dass beispielsweise im Amtsgericht, man einfach nicht mehr hingehen kann zu den regulären Öffnungszeiten, sondern immer noch nur mit Terminen. Das macht dieses spontane Arbeiten teilweise etwas schwerer … Ausländeramt oder Bürgeramt, da muss man immer noch einen Termin machen. Okay, das erschwert die Sache. Vorher konnte man so ein Ticket ziehen und dann hat man gewartet.“ (I6, Z. 3782 f.).

 

„… Antragsstellung ist teilweise nur online. Das wird, das wird schwierig so werden für manche Teilnehmer … Ja, ich glaube nicht, dass alle Teilnehmer wissen, wie man einen Online-Termin macht … Ich habe die Erfahrung, dass Teilnehmer teilweise gut mit sozialen Medien umgehen können, aber googlen oder so was, das können die wiederum nicht. Das ist mir aufgefallen“ (I6, Z. 3798 f.)

 

 

Auswirkungen unterschiedlicher Voraussetzungen

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„…man wird hier eigentlich nicht allein gelassen, ohne nicht immer mindestens irgendwie eine andere Telefonnummer oder so eine Kontaktstelle, plus immer die Information „Guckst du mal, ob dir das was bringt, und wenn nicht, dann meldest du dich wieder!“, die Option gibt es immer“ (I1, Z. 2280 f.).

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„anhand der Onlineberatung, können wir so Pins setzen, wo die Anfragen herkommen“ (I1, Z. 2298 f.).

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…das war ja auch so ein bisschen Anfangs der Vorwurf „Wir ziehen die Leute aus dem Umland auch noch irgendwie hier in die Kölner Zuständigkeit“. Das haben wir nie gemacht, das würden wir auch nie tun. Ja, das macht überhaupt keinen Sinn, sondern wir gucken immer vor Ort, was macht Sinn. Aber natürlich hat auch so eine Großstadt seinen Reiz für junge Leute… junge Leute zieht es eh vom Land weg eher“ (I1, Z. 2310 ff.).

 

„Also Siegen macht oder hat in den letzten Jahren einiges gemacht, um so attraktiver zu werden. Und auch Parks . . . kommt jetzt noch mal einer neu in den Innenstadtbereich, also man macht viel. 

Das führt aber auch dazu, dass die Stadt natürlich immer attraktiver wird und dementsprechend sich auch immer mehr Leute gerade bei gutem Wetter hier aufhalten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich da auch Jugendliche dann auch mal irgendwelchen Leuten anschließen, die nicht so gutes mit denen im Sinn haben, ist dementsprechend auch nicht kleiner geworden. Und da wäre es natürlich wichtig, dass man, wenn man diese Orte schafft, dass man dann auch sich Gedanken macht, was kann so ein neuer Park auch wieder an negativen Einflüssen haben? Eben Drogenumschlag und solche Dinge. Das führt dazu, dass wir dadurch natürlich auch noch mal mehr Bereiche haben, wo wir hingucken müssen und auch vielleicht noch mal anders gefordert werden“ (I4, Z. 2599 ff.).

 

„„Wird auch immer größer. Und die Bedeutung der Uni für Siegen ist einfach auch viel größer geworden. Steht ja jetzt überall auch Universitätsstadt an den Schildern und so. Man will so Stadt des Wissens, des Lernens werden und das auch nach außen hin zeigen . . . . Aber es gibt ja auch Jugendliche, die jetzt nicht studieren, die einfach . . . vielleicht ein ganz normales Leben als Handwerker oder vielleicht auch noch nicht mal haben. Und die müssen ja irgendwann auch hier noch mal eine Wohnung sich leisten können und das wird alles teurer und schwieriger[IB12] . Und unsere Jugendlichen . . .  sollten ja auch von so einer städtebaulichen Entwicklung irgendwo auch profitieren können und nicht nur eine gewisse Gruppe . . . . Also ist sehr fokussiert auf Uni und auf Entwicklung, aber ob das dann immer auch so richtig ist, dass das dann einfach auch in Kauf genommen wird, dass die Wohnungen, die dann entstehen, viel, viel teurer sind und dann eben für unsere Jugendlichen unbezahlbar und dass die dann schon zwangsläufig aus Siegen raus müssen . . . . Und du hast ja teilweise auch in Siegen total viele Wohnungen, wo halt dann auch explizit gesagt wird, nur Studenten“ (I4, Z. 2675 ff.).

 

 

 

Gelingen

„München ist schon seit Jahren eine Diskussion, ob man da auch noch mal was, also wir da auch nochmal was machen…weil wir da unten gar nicht so vertreten sind“ (I1, Z. 2292 f.).

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„Manchmal denke ich so, genau gibt es da eine Planung oder guckt einfach jeder so, - also es gibt sicherlich eine Planung, ich will jetzt überhaupt nicht böse über die reden, überhaupt nicht. Aber es gibt halt total viele Angebote insgesamt und manchmal wäre es vielleicht noch ein bisschen schöner, wenn man das ein bisschen mehr verzahnen könnte. Sagen wir es so, vielleicht ist das besser ausgedrückt. Es gibt so ganz unterschiedliche Programme, die finanziert werden: Quartiersmanagement, Soziale Stadt und unendlich viele Programme im Prinzip. Und manche machen dann doch irgendwie ähnliche Sachen. Das ist nicht nur der Jugendbereich eigentlich so. Und dann ist es eigentlich immer schön zu gucken, wie kann man das aber auch gut zusammen aufstellen“ (I3, Z. 1409 ff.).

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„Aber grundsätzlich zu gucken, wo sind so Lücken, wo Jugendliche durch switchen in diesen Themen. Und es gibt Programme und Maßnahmen Berufsvorbereitung, Ausbildung, Praktikum, lalala aber die müssen ja irgendwie da hinkommen und irgendwie rausfinden, wo passen sie dann hin? Und das ist so komplex, das ist ja für uns schon ein komplexes System. Und schon allein da die Orientierung zu bieten oder zu überlegen, was könnte gut sein, das finde ich wichtig“ (I3, Z. 1945 ff.).

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„. . . ich glaube ist schon irgendwie gut, eine Koordination im  Bezirk zu haben, die uns mitdenkt und überlegt, wo macht es Sinn, dass wir mit dabei sind? Also das können wir nicht alleine steuern sozusagen“ (I3, Z. 2482 ff.).

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„Und die Idee ist genau, dass wir an verschiedenen Orten im Bezirk tätig sind. Und da wir einen sehr großen Bezirk haben, ist aus unserer Sicht eine Schwelle oder eine Hürde, einen weiten Weg auf sich zu nehmen als Jugendlicher. Deswegen die Idee, dass wir auch in verschiedenen Wohngebieten und verschiedenen Sozialräumen präsent sind und da feste Ansprechzeiten haben. Das ist zum Beispiel schon so von der Struktur her das Aufsuchende aus unserer Sicht, dass wir genau in diesen Netzwerken, in diesen Sozialräumen verankert sind und es versuchen, möglichst einfach zu machen, zu uns zu kommen oder überhaupt von uns zu erfahren“ (I3, Z. 14 ff.).

 

„Es gibt super viele Angebote, es gibt super viele Qualifizierungsangebote . . . . Also es gibt wirklich ein breites Angebot für viele, auch für verschiedene Gruppen, vielleicht gibt es auch nochmal ein paar queer sensible Sachen, auch zum Wohnen. Also es gibt wirklich, die Auswahl ist schon groß, das ist schon ganz schön hier die Vielfalt, da würde ich jetzt nichts bemängeln“ (I3, Z. 2570 ff.).

 

„Also ich glaube, wir haben in den letzten Jahren großen Anteil gehabt an der Jugendsozialarbeit hier im Kreisgebiet und in Siegen, weil wir genau in die Dinge oder in die Sparten reingegangen sind, wo sonst keiner reingegangen ist. Und wie gesagt, das ist immer das Problem der Wahrnehmung, wie wird das wahrgenommen, öffentlich und so. Aber ich glaube, wir haben genau das bedient, was noch nie einer bedient hat und wo man jetzt zum Teil aber auch drauf kommt, seitens der Jugendtreffs hier, auch mal vor die Tür zu gehen, vielleicht auch mal Aktionen zu machen und so. Und ich glaube, das haben wir ganz lange gemacht, bevor da einer auf den Trichter kam. Von daher halte ich das schon für sehr wichtig“ (I4, Z. 1240 ff.).

 

„Für die Projekte . . . also wenn wir jetzt nur in Siegen unterwegs wären, dann würden wir die ganzen Leute aus Bad Berleburg oder so, gar nicht erreichen. Also für Projekte und Veranstaltungen, ist das eigentlich schon cool, dass du halt nicht nur in Siegen genug gesehen wirst, sondern auch im Kreis (I4, Z. 2016 ff.).

 

„. . . . man hat ja die Variationsmöglichkeiten auch. Also ein paar Orte stehen immer so ein bisschen auf der Agenda, die sind halt immer da. Und dann haben wir auch immer so Orte gehabt, wo wir gesagt haben, „Ja, jetzt ist hier nix mehr los“. Und dann kommt da mal eine Anfrage von der Polizei oder wir kriegen irgendwas mit oder so. Und dann wechselt man mal den Ort, den man dann mal besucht, eine Woche, ein Monat und für hinterher drei Jahre oder so. Also das kann variieren. Das ist natürlich ein Vorteil. Also wir sind nicht so an Stadtgebiet jetzt hier gebunden, sondern kann man auch ein bisschen drüber gucken“ (I4, Z. 2031 ff.).

 

„Und dass man sich einfach so kennt und das ist auch mit ein Erfolgsrezept, dass man mit dem Jobcenter gut zusammenarbeitet, weil nur dann kann ich dem Jugendlichen auch helfen. Also das ist so diese Vermittlerrolle dann auch, weil da ja oft gerade Schwierigkeiten sind zwischen Teilnehmer und Jobcenter. Das ist dann gar nicht unbedingt der Ansprechpartner, sondern es geht einfach nur um das Jobcenter. Und wenn die merken, „Okay, der Herr Radtke kann eigentlich ganz gut mit denen arbeiten oder Mitarbeiter vom Förderband und wir erreichen dann auch was, dann funktioniert das eigentlich“. Also das ist so dieses Dreieck . . .  eigentlich das Wichtige und Entscheidende ist, dass man sich so als Dreieck sieht. Also der Teilnehmer, Träger und der persönliche Ansprechpartner, der dann eben auch natürlich im Endeffekt das Ganze leitet. Also so diese Rolle dann hat der persönliche Ansprechpartner, der dann informiert ist über alles. Wo wir auch den Vorteil haben eben direkte Kommunikation über das Telefon“ (I5, Z. 1640 ff.).

 

„Also, zwanzig Teilnehmerplätze auf ne ganze Stadt ist halt einfach super wenig … Also Zuweisungen plus Leute, die man noch so kennenlernt. Das ist ja eigentlich nicht viel … Genau das einzige § 16h-Projekt“ … ja, aber in Mülheim sind wir so die einzige, das einzige Angebot, was so arbeitet. Also wenn wir voll sind, können wir nicht zu einem ähnlichen Angebot vermitteln (I6, Z. 4548). 

11. Ergänzende Gelingensfaktoren Hemmende Gelingensfaktoren Wünsche für die Zukunft

Besonderheit des Angebots:

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„…innovativ auch weil wir irgendwie was Neues tun. Aber wir eben nicht so diesen abwartenden Charakter haben, sondern eben Dinge auch anpacken und so. Deswegen fand ich das mit dem „initiativ“ ganz gut. Irgendwie zu sehen, wo was fehlt, aber dann nicht nur irgendwie mit dem Finger drauf zu zeigen und zu sagen „Ey, mach doch mal jemand“ oder „Ihr müsste doch mal was machen“, sondern wir machen das einfach mal. Und vielleicht auch mal sehr mutig, weil noch kein Geld da ist. Wir probieren es einfach mal aus und gucken dann erst“ (I1, Z. 1315 f.).

 

„Weil ich glaube unsere Besonderheit oder, ja was halt auch einfach uns ein bisschen ausmacht, ist, glaube ich schon, dass wir so ein bisschen, dass es persönlich ist mit uns so. Und dass man.., dass wir als Mitarbeitende bekannt sind, auch als Personen und das nicht ein unglaublich großes Team ist. Sondern man kennt dann halt Tobias, man kennt Laura und dann mich oder Abdul und dann, ja, das ist schon auch nicht schlecht. Also wir haben so ein Gesicht, sag ich mal, nach außen hin, das ist oft wichtiger als überhaupt uns als Einrichtung oder als Träger [zu kennen]“ (I3, Z. 1104 f.).

 

„. . . nochmal viel stärker zu gucken wo kommen die Leute her, wie können wir die erreichen und wie kommen wir an die Leute ran. Das ist einfach ein wichtiger Teil des Konstrukts von uns und das ist schon auch die Besonderheit, glaube ich. Ich will jetzt niemanden unterstellen, dass er in einer Beratungsstelle sitzt und darauf wartet, dass jemand kommt, und es kommt niemand. Das will ich gar nicht sagen, aber es ist bei uns halt verankert in der Idee von uns und deswegen ist das, schon eine Besonderheit, flexibel zu sein. Also wir können ja schnell auch woanders das anbieten, was wir machen, wenn die Voraussetzungen da sind, räumlich. Da muss man nicht lange irgendwas abstimmen, sondern das können wir einrichten. Und da wir keine groß eigenen Räume haben, um die wir uns kümmern müssen, haben wir da auch keine Verpflichtungen . . . also wir können relativ schnell irgendwo arbeiten, das ist schon eine Besonderheit. Und das halt bedarfsgerecht machen und flexibel. Ich glaube wir sind wirklich sehr flexibel in unserem Angebot. Sowohl, wie lange wir mit jemandem arbeiten, wann jemand kommen kann, wo wir das machen (lacht), ist wirklich so. Das ist schon eine Stärke. Ist vielleicht auch irgendwo eine Schwäche, aber ich sehe es viel auch als Stärke. Wir sind halt immer abhängig davon, dass wir natürlich Kooperationspartner haben, die uns herzlich willkommen heißen. Das ist natürlich der Nachteil, wenn man keine Immobilie oder keine eigenen Räume hat. Wir sind natürlich immer auf Kooperation angewiesen, definitiv“ (I3, Z. 2692 f.).

 

„. . . ständig auch dabei zu überlegen, wen gibt es noch - also nicht ständig, nicht jeden Tag, aber schon grundsätzlich läuft es immer so, ein bisschen mitzugucken, wo sind interessante neue Arbeitsfelder oder wo gibt es Initiativen, wo man sich mal vorstellen könnte oder sollte. Oder was könnte noch ein möglicher Kooperationspartner sein? Gar nicht unbedingt als Standort, aber um halt uns bekannt zu machen oder zu gucken, ob da irgendwie Bedarf ist. Das läuft immer so parallel mit“ (I3, Z. 2733 f.).

 

„. . . durch die Besonderheit der Angebote ist natürlich schon manchmal ein bisschen einfacher . . . . . So, und man hat halt eine richtig gute Idee und kann das präsentieren, dann kommt das schon gut an auch, das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal, würde ich sagen, ja“ (I4, Z. 1825 f.).

 

„Hm, zum Beispiel, also so die Sachen wie mit dem Skatepark und so was. Wenn Jugendliche Wünsche äußern und sagen „Hey, uns fehlt hier einfach was!“. Also auch in dem Wittgensteiner Raum, die sagen auch immer, „Wir haben hier nichts, was sollen wir denn machen außer saufen und Drogen konsumieren?“ (I4, Z. 2140 f.).

 

„Wir erleben Wohnungslosigkeit und das ist halt ein Bereich, wo gerade Aufsuchende Arbeit ganz wichtig ist und dass wir diese Möglichkeit haben, dass auch hier zu also so weiterzugeben, sowohl beim Träger als auch in anderen Gremien. Finde ich, ist auch noch mal was, was so die Besonderheit im Projekt auszeichnet. Nicht jedes Projekt hat diese Möglichkeiten, auch vielleicht in gewisse Runden zu kommen mit den Themen, die sie begleitet, weil es ja schon auch ein besonderer Bereich ist, der dann auch oftmals ordnungspolitisch gesehen wird. Also Jugendliche machen Krach, machen Sachen kaputt“ (I4, Z. 2338 f.).

 

„. . . das ist auch was Besonderes dadurch, dass es dieses Konsortium gibt . . . . Man muss halt auch ein bisschen gucken, weil man ja auch eng zusammenarbeitet. Natürlich ist man in einer gewissen Weise auch Konkurrent. Aber es war schon so, dass klar war, als dann die gesagt haben, dass sie jetzt ein weiteres 16 h Projekt - der Schwerpunkt war eben „psychische Erkrankungen“ -, war unter den Trägern klar, okay, das macht jetzt der Träger xy . . . . Und das ist ja auch so das Besondere, dass quasi jeder Träger seine Besonderheit mit reinbringt, man dadurch dann im gesamten eine besondere Stärke hat, ja . . . . Dass da dann schon geguckt wird, was braucht man noch, was braucht das System Jump Plus auch“ (I5, Z 2052 f.)

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„Also, vielleicht jetzt im Vergleich zum Streetwork oder so, was ja, denke ich, noch offener ist. Ist es vielleicht schon etwas Besonderes, dass wir quasi den Auftrag kriegen. Einen Auftrag kriegen vom Jobcenter, dass wir dann Auftraggeber haben und Adressen kriegen und dann direkt hingehen. Dass wir quasi mit einem konkreten Auftrag an jemanden herantreten. Sonst ist ja eher so, dass jemand auf einen zukommt und man dann reagiert, beim Streetwork zum Beispiel. Und bei uns ist es ja schon eher so, dass wir quasi den Auftrag erhalten und dann zu jemandem hingehen. Vielleicht ist das so beim Aufsuchenden Dienst jetzt das Besondere . . .  dass wir einen Auftrag haben und dann hingehen. Also nicht, dass derjenige zu uns kommt oder wir quasi dastehen und der dann auf uns zukommt, sondern dass wir das gezielte hingehen vielleicht … das gezielte hingehen vielleicht“ (I5, 2310 f.).

 

„Also ich würde schon sagen, dass das auch wieder was Spezielles in Mannheim ist, weil es eben aus diesem System Jump Plus heraus entstanden ist“ (I5, Z. 2330 f.).


„also was Besonderes ist schon auch dieser enge Kontakt, der eben dadurch durch die enge Zusammenarbeit, durch dieses Dreieck entstanden ist. Dass man sich ja auch mal austauscht, dass man einfach auch mal am Telefon, das ist etwas, was jetzt so durch Corona ein bisschen nachgelassen hatte, was jetzt aber gerade wieder auch stärker im Fokus ist“ (I5, Z. 2420 f.).

 

„Die Flexibilität glaube ich. Also, dass wir die Möglichkeit haben, mit dem Auto überall hinzukommen, das auch machen, dass wir nicht zeitlich, terminlich gebunden sind, dass wir sagen okay, wir haben eine Stunde nur für einen Klienten in der Woche, sondern dass wir sagen können „du ne, ich habe Zeit heute, dann machen wir einmal alles, was ansteht … Dass man sich das selber einteilen kann. Wenn da viel Bedarf ist, dann machen wir eben auch viel mit denen … Also diese Freiheit, die wir haben … ganz genau, Freiheit und dass wir zeitlich flexibel sind … Dass sich keiner in unsere Arbeit einmischt, also dass keiner kontrolliert und sagt „nein, du musst es so machen oder so“ Nein, jeder für sich bestimmt selbst die Arbeit. Das ist wirklich wunderbar.“ (I6, Z. 4435 f.).

 

„Und dass der Teilnehmer derjenige ist, der uns den Auftrag gibt. Also offiziell das Jobcenter, meistens, aber dass der Teilnehmer uns die Ziele vorgibt. Das würde ich auch sagen, ist besonders und das ist auch ein großer Punkt des Gelingens. Warum gelingt die Arbeit? Weil wir Klientenorientiert, Kundenorientiert, wie auch immer, arbeiten. Und eben weil es das ist, - warum gelingen Dinge? Warum schaffe ich den einen Sport gut zu machen, den anderen nicht? Weil an dem einen Sport habe ich Spaß und dann an einem anderen nicht - und genau das ist es. Ich meine, das ist das, was wir alle in der Schule auch an Erfahrungen gemacht haben. Das, woran ich Spaß habe, das lerne ich gut, dass worauf ich keinen Bock habe, das schaffe ich nicht. Und genau das ist das Prinzip auch, ne. Wir sagen, der Teilnehmer, sein Ziel ist unser Ziel. Und das gelingt dann auch eher, als wenn die Agentur sagt mir, „Der soll aber das und das erledigen“ und dann sagt der Teilnehmer, - also ne was wir vorhin auch schon gesagt haben -, ich glaube, dass ist auch eine Besonderheit“ (I6 Z. 4453 f.).

 

„Arbeit unter Zwang ist oft halt schwierig ne. Da muss man nochmal ganz andere Hürden abbauen und Ängste und so. Und das haben wir zum Glück nicht so extrem“ (I6, Z. 4472 f.).

 

 

Ergänzende Gelingensfaktoren: 

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„Also einfach arbeitsfähig zu sein, schätzen auch die Jugendlichen, wenn es das irgendwo gibt. Weil die ja oft auch nicht unbedingt ein eigenes Zimmer mit einem Computer haben, der auch noch geht oder so, und dann da Ruhe haben das ja.. - also das finde ich zum Beispiel enorm wichtig… Wenn man mal so in Hardfacts denkt, ja (lacht) … Also es ist nicht immer das Erste, woran man bei Aufsuchender Arbeit so denkt, deswegen sage ich es jetzt nochmal so extra, das fiel mir noch so ein … Ich finde es total wichtig tatsächlich, weil wie soll man, wie soll sonst jemand auch mal irgendwas erzählen, was ihm vielleicht peinlich ist oder irgendwie unangenehm oder intensiver oder so. Oder sich auch einfach nur mal in Ruhe konzentrieren und nicht ständig abgelenkt sein von irgendnem Kumpel, der da noch rumspringt“ (I3, Z. 1965 f.)

 

„Ich finde es gut, dass sie die Zeit und die Möglichkeit haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen und da mal so ein bisschen bundesweit zu gucken. Ich glaube, dass es gute Entwicklungspotentiale auch noch gibt, aber dass es auch einfach in vielen Bereichen noch viel zu wenig im Blick ist. Aber Corona hat uns jetzt ja auch gezeigt, oder die Coronafolgen, wie wichtig das ist. Und ich glaube, das ist mittlerweile auch bei den Verantwortungsträgern angekommen, dass Aufsuchende Arbeit einfach auch ein Thema der nächsten Jahre sein wird. Ist gut platziert das Projekt“ (I4, Z. 2965 ff.).

 

„Genau was vielleicht auch ganz gut ist und was vielleicht auch nochmal so die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter [hervorhebt]. Also ich hatte teilweise auch schon Mitarbeiter vom Jobcenter, die mit mir unterwegs waren aus anderen Sachgebieten, einfach um mal ein Gefühl zu kriegen. Also auch wie es in Wohngebieten ist … Einfach um mal so einen Eindruck zu kriegen, das finde ich halt schon auch wichtig. Also das ist schon noch was anderes, wenn man nur eine Akte hat oder die nur so im Gespräch sieht. Wenn man aber auch sieht, wie es in manchen Wohngegenden abgeht oder wie ein Briefkasten aussehen kann, der nicht schön mit einem Namen beschriftet ist“ (I5, Z. 2725 f.).

 

„Also auch die Kommunikation muss stimmen. Wenn ich da auf Konfrontation gehe, dann kann ich nichts erreichen. Klar muss ich auch mal sagen „Ja nee, so nicht“ und muss auch mal Kontra geben. Aber es muss immer auf einer gewissen gleichen Ebene irgendwie versucht werden. Weil nur dann kann ich auch was für den Teilnehmer erreichen. Da sind wir wieder bei diesem Dreieck“ (I5. Z. 2780 f.).

 

„Ein Gelingensfaktor ist vielleicht auch nochmal, dass es so ein bestimmtes Korsett gibt, aber innerhalb dieses Korsetts eine hohe Individualität. Also dass man da dann schon auch in Absprache mit dem Jobcenter schon auch flexibel ist. Also das es ist nicht nur das Schema A gibt, sondern jeder der bei uns in der Aufsuchenden Arbeit ist, hat ja auch eine eigene Geschichte oder eigene Gründe. Und dass man dann nicht sagen kann … wir machen das jetzt so und so und so und so und der will aber in eine ganz andere Richtung und da funktioniert es nicht … Ganz genau bedürfnisorientiertgenau“ (I5, Z. 2819 f.).

 

„Also wir sind schon lange dabei, ehrlich gesagt, (...) es sammeln sich Sachen, wie gesagt, wir kennen schon einige in dieser Branche und die.. Und was kann man dazu sagen, also wir haben schon uns gut positioniert auf dem Weg. Und dadurch, dass uns schon mehrere Generationen kennen. Und das funktioniert irgendwie gut“ (I2, Z. 1613 f.).

 

 

Hemmende Faktoren: 

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„Was wir immer mal diskutieren, ist so, Kontakte zu Unternehmen tatsächlich oder so diese Kontakte in die Unternehmen rein. also Praxiserprobung, Praktika irgendwie so was. Da sind wir nicht so gut aufgestellt, wir sind ja auch klein .. Aber wir fantasieren und wünschen uns immer mal, dass man nochmal lieber so direktere Kontakte haben könnte, als immer sozusagen, über die offiziellen Wege gehen zu müssen, wo Leute einfach raussortiert werden, wenn die so ein mieses Zeugnis haben … Ja, so diese Netzwerke … Aber wir haben da auch nur begrenzte Ressourcen für da so Kontakte reinzustecken. Aber das wäre manchmal noch was, das wäre manchmal irgendwie schön, wenn man da mehr Kontakte hätte. Das ist schon was, was ein bisschen hemmt … Aber klar, so Unternehmenskontakte oder überhaupt so dieser Praxis-Check, wenn wir da noch ein bisschen mehr Möglichkeiten hätten, den zu organisieren, das wäre so eine schöne Zukunftsvision … wenn man noch über jemanden so ein bisschen reden könnte und sagen könnte, „Guck mal, ich denke, dass die Person vor zwei Jahren wirklich ein schlechtes Zeugnis hat, aber ich habe den Eindruck, die hat sich wirklich ein bisschen entwickelt““ (I3, Z. 2969 f.).

 

„Ausländerrecht können wir auch nicht beeinflussen. Wenn jetzt jemand eine Arbeitserlaubnis für irgendeinen Beruf kriegt, weil er den genehmigen muss. Natürlich nicht! Klar gibt es irgendwie Grenzen von rechtlichen und allen möglichen Bereichen“ (I3, Z. 3053 f.).

 

„Manchmal würde ich mir das auch fast ein bisschen mehr auch wünschen vom Jugendamt.. (lacht) von den Regionen. Aber ich glaube, die haben auch ganz andere Themen und auch ganz andere Probleme als uns jetzt (lacht). Und das funktioniert, wir funktionieren ja gut, was wir machen … Man könnte sich überall nochmal viel mehr einbringen, aber das schaffen wir halt nicht personell“ (I3, Z. 1385 f.)

 

„Wenn man halt zum Beispiel keine Termine kriegt bei Ärzten, Wohnungen und so, das hemmt auf jeden Fall“ (I5, Z. 2706 f.).

 

„… ich finde eine Stelle beim Kreis, das ist in Ordnung, aber die Stadt Siegen könnte ruhig mal zwei [Stellen] finanzieren statt einer halben. Da sind wir ständig bei …aber man hat das natürlich irgendwann mit den Verantwortlichen auch mal ausdiskutiert und dann muss man für sich selber auch mal die Ruhe und den Frieden finden und sagen, die Situation ist jetzt, wie sie ist und wir arbeiten jetzt erstmal so. Das heißt aber nicht, dass wir nicht immer auch wieder Versuche starten, um da noch mal auch über Landesprogramme oder andere Finanzierung da eine Ausweitung zu bekommen“ (I4, Z. 2917 f.).

 

„Also ich glaube wir sind gut aufgestellt, bis auf den Personalschlüssel. Der ist halt für die Füße, muss man ja so sagen. Ich weiß nicht, ob der woanders dann besser ist. Ich kenne mich jetzt auch nicht aus bei anderen Projekten. Aber der Stellenwert dieses Arbeitsbereichs ist einfach nicht hoch genug, offensichtlich. Wird nicht hoch genug angesehen“ (I4, Z. 2457 f.).

 

„Und das manchmal durch Behördensachen, dass alles so schwer gemacht wird, auch wenn es einfach wäre. Aber das ist halt das deutsche System, da kann man jetzt nicht viel dran ändern“ (I4, Z. 2462 f.).

 

„Also ich glaube, wie gesagt, der Respekt oder die Anerkennung ist bei vielen schon auch da … Aber dass sie sich äußert in einer Entwicklung bei den Ressourcen, das fehlt halt noch.  … aber wir tun es ja nicht für uns, sondern wir tun es für die Sache“ (I4, Z. 2473 f.).

 

„Also schon für mich hemmend finde ich manchmal wenige Therapieplätze zum Beispiel. Das ist so was, was einen hemmt, recht hohe Wartezeiten, auch bei Neurologen, Psychiatern … Wohnungsmarkt ist hemmend, ist schwierig. Wird eher schwieriger gerade wieder, da eine Wohnung zu finden für jemanden, der im Arbeitslosengeld II Bereich ist. Ja, das sind so die Faktoren, die für uns dann oft schlecht sind, zu bearbeiten“ (I5, Z. 1739 f.).

 

„Boah, manchmal finde ich Verwaltungsaufwand schwierig, Art und Weise zu dokumentieren und co. … wenn so Absprachen irgendwie untergehen zwischen Jobcenter, - dann gab es mal Lenkungskreis, wo Sachen beschlossen wurden, dann ist das Schriftstück verloren gegangen, dann weiß keiner, wo es liegt, dann sagen wir, naja, aber wir müssen uns auch darauf berufen - so Sachen halt. Wenn man sich mit so einer Bürokratiekacke zu viel beschäftigen muss … Das gehört immer zum Job und das ist auch super wichtig, aber manchmal raubt das noch viel mehr Energie“ (I6, Z. 4684 f.).

 

„Manchmal könnten wir noch einen zweiten Dienstwagen gebrauchen, so viel wie wir unterwegs sind“ (I6, Z. 4716 f.). 

 

„Das steht und fällt mit diesem Standort. Ob man so eine richtige Begegnungsstätte hier auch wählt oder eben nicht … und das trägt man dann auf dem Rücken der Mitarbeitenden aus, weil die müssen mehr aufsuchend arbeiten, die müssen rausfahren. Das dauert, das kostet mehr Zeit, das heißt, man kann weniger Plätze. So“ (I.6. Z. 4860 f.).

 

 

 

Wünsche für die Zukunft:

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„Mögliche Öffnungszeiten massiv auszuweiten“ (I7, S. 13).

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„Und natürlich würde ich mir wünschen, dass es vielen Jugendlichen besser geht und die eine zufriedenstellenderen Platz in der Gesellschaft finden, klar. So persönlich, ganz persönlich für die Einzelnen, dass es ein bisschen leichter wird und sie so ihren Platz finden“ (I3, Z. 3100 f.).

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„Dass ich es schön fände, wenn es ein bisschen mehr wertgeschätzt wird, also ich glaube, es wird oft nicht so gesehen die Arbeit, die wir machen. Weil es halt nicht so ein leicht verständliches Regelangebot ist …Ich glaube viele können damit nicht so viel anfangen und denken immer niedrigschwellig und Aufsuchende ist auch nicht qualitativ so Dolle, da macht man nicht so viel … und niedrigschwellig heißt nicht niedrigqualitativ oder so was. Und das finde ich immer so ein bisschen schade, dass das so untergeht, so habe ich den Eindruck“ (I3, Z. 3067 f.).

 

„Also die Feststellung nochmal zu haben ´Ja, es halten sich viele Jugendliche auf der Straße auf und eben nicht im Jugendtreff und nicht zu Hause´ was machen wir jetzt eigentlich damit? Schicken wir Streetwork hin, schicken wir das Ordnungsamt hin? Wie kriegen wir das hin quasi das mal so im Gesamtpaket zu koordinieren“. Das ist so eine Traumvorstellung“ (I4, Z. 881 f.).

 

„… Ja so eine Anlaufstelle am Bahnhof, hätte ich nochmal gerne … Und dass man da vielleicht noch mal einen Ort hätte, wo man einfach auch nochmal ein anderes Setting hat, um mit Jugendlichen zu arbeiten, was relativ zentral … Das wäre natürlich toll“ (I4, Z. 2543 f.).

 

„Und ich würde mir wünschen, wenn städtebauliche Maßnahmen entwickelt werden, dass man da einfach auch mal Teil von diesen Dingen ist. Dass man auch mal zum Beispiel sagt, in welchen Bereichen sich Leute vielleicht wirklich unwohl fühlen ... Dass man da einfach ein bisschen auch aus Sicht der Jugendlichen mal Argumente einbringen kann und auch bei so einer Städteentwicklung durchaus auch mal die Sicht der Jugendlichen mehr berücksichtigt würden … dass man mehr Jugendliche da auch mal an einen Tisch mit holt und sagt „Also das ist ja dann auch die Stadt der Zukunft für Sie, wie würden Sie sich das denn wünschen … würde ich mich freuen, wenn das einfach auch noch mehr so gedacht wird, dass das Jugendliche beteiligt würden … vielleicht gestaltet man da was mit Jugendlichen zusammen“ (I4, Z. 2609 f.).

 

„Ne, fällt mir so ad hoc nix ein, also wo ich denke, im Moment ist es eigentlich so was, was ganz gut ist.“ (I5, Z. 2724 f.).

 

„… aber das wäre natürlich so das Nonplusultra oder dass wir alle trotzdem noch Bahntickets bekommen … flexibler wäre es, wenn man ein Monatsticket bekommt, einfach für die Arbeit“ (I6, Z. 4766 f.).

 

„Aber in erster Linie, denke ich, würde ich sagen, zentrale Räumlichkeiten, wäre mein größter Wunsch! …Mehr Personal … mehr Teilnehmerplätze“ (I6, Z. 4777 f.).

 

„Genau, mehr Stellen fände ich auch cool“ (I6. Z. 4819 f.).

 

„Fände ich wichtig, dass diese Arten von Projekten … eine Stimme auch bekommen in der Gesamtgesellschaft … dass das notwendig ist und wichtig ist … auch da die Gelder reinfließen“ (I6, Z. 4892 f.).

 

„Einfach so … ein bisschen Lobby für die Leute machen, dass es eben gewisse … auch gute Gründe warum die Situation so ist, wie sie ist. Es gibt einen gewissen Prozentsatz, die haben keinen Bock, sag ich mal, die fühlen sich wohl mit diesem Mindeststandard, den sie haben und der eben finanziert wird. Aber ich denke, ein Großteil ist einfach aus bestimmten Gründen in die Situation reingerutscht und ja, finden keinen Ausweg mehr aus der Sache“ (I6, Z. 4904 f.).

 

„Plus auch, dass ist ein Thema …, dass man auch Spender besser akquiriert bekommt. Also dass man Supermärkte akquiriert, dass die ihre Sachen nicht wegschmeißen, sondern weitergeben und spenden … wie geil wäre das, wenn wir einfach wöchentlich Spenden bekommen würden …. Und dieses Spenden akquirieren kostet unfassbar viel Kraft und Arbeit und viel Rechtfertigungsgrundlage. Oder dass man dann … nachher sich zeigen darf und Fotos aushängen darf …das ist datenschutztechnisch dann manchmal schwierig … genau eine Lobby schaffen und eine lautere Stimme bekommen“ (I6, Z. 4921 f.).

 

„also quasi einfach nochmal eine große Wirksamkeit in der Öffentlichkeit irgendwie zu haben …“ (I6, Z. 4938 f.).

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